Buttstädt im Wandel der Zeit

Von Buttstädts vergangenen Tagen
Wie Schumanns Lexikon vom Jahre 1814 berichtet, soll Buttstädt im Jahre 988 von Markgraf Eccard, der in Jena residierte, als Stadt erbaut worden sein. Eccard soll auch einen Jahrmarkt in Buttstädt haben anlegen lassen, wo­durch der Name „Budenstadt“ entstanden sein soll.

Im Jahre 1505 erbaute man das Rathaus. Der Bau unserer Kirche als katholisches Gotteshaus wurde 1501 begonnen und am Michaelistage 1551 vollendet.

Das Mönchslatein auf einer an der Ostseite der Kirche in Buttstädt befindlichen Steintafel hat auf deutsch folgen­den Wortlaut: „Im Jahre des Herrn 1510, am zweiten Pfingstfeiertage, ist der erste Stein dieses Chores gesetzt worden.“

1814 hatte Buttstädt 363 Wohnhäuser und etwa 1600 Einwohner. Buttstädt war bereits Sitz einer Superintenden­tur. Die Kämmereieinkünfte betrugen jährlich 5000 Gul­den. Die lateinische Schule in Buttstädt hatte einen Rektor und sechs Lehrer. Der Haupterwerbszweig der hiesigen Bevölkerung war Ackerbau und Viehzucht. Nach der alten Thüringer Geschichte hielt Markgraf „Heinrich von Meis­sen“ im Jahre 1249 in Buttstädt einen großen Gerichtstag ab.

1350 brach in Buttstädt die Pest aus.

1433 stellte Landgraf Friedrich der Stadt „Budtstadt“ einen „Begnadigungsbrief“ aus, wonach alle Jahre ein neuer Stadtvogt gewählt werden konnte.

In den mir von Professor Dr. Johannes Behr in Berlin zur Verfügung gestellten Aufzeichnungen des Kirchenrats Förtsch findet sich unter anderem folgender Vermerk:

Im Jahre 1520 weilte in Buttstädt der berühmte Freund Luthers, Spalatin, wie aus einem Briefe Luthers an den­selben hervorgeht.“ Den Lesern dürfte bekannt sein, daß Spalatin Sekretär Friedrich des Weisen war. Spalatin starb am 16. Januar 1545 als Superintendent in Altenburg.

Der Kanzler Dr. Markus Gerstenberger in Weimar, ein Sohn des Stadtvogts Jakob Gerstenberger in Buttstädt, stiftete Anfang 1600 ca. 12 evangelischen Studenten in Jena einen sogenannten Freitisch. Am 29. Oktober 1632 übernachtete der Schwedenkönig Gustav Adolf mit dem Stabe seiner Armee in Buttstädt. 1633 und 1681 wütete in Buttstädt wieder die Pest. 900 Einwohner sollen an der Seuche gestorben sein.

Eine Fußnote alter Akten von auswärts lautet wie folgt:

Im Siebenjährigen Krieg hat der König Friedrich II. von Preußen mit seiner aus dem Leibgarde-Grenadierregiment gebildeten Königswache in Buttstädt 9 Tage lang im Quartier gelegen.“ In einer späteren Fußnote jener Akte heißt es weiter: „Das Haus, in dem das Gericht unterge­bracht ist, ist trotz des über der Eingangstür befindlichen Steines niemals der Gasthof zu den „drei Schwänen“ gewesen. Als der Alte Fritz hier verweilte, gehörte das Haus einer verwitweten Frau Pfarrer Hecker“. War Fried­rich der Große im Hause der Frau Pfarrer Hecker hier einquartiert? Das ist die Frage, welche die Nachwelt interessieren muß.

Alle Nachforschungen in dem mir zur Verfügung stehen­den auswärtigen Aktenmaterial, das Quartier des großen Preußenkönigs in unserer Stadt genau festzustellen, waren ohne Erfolg. Alle von mir aufgewendete Mühe ist vergeb­lich gewesen.

Um Neujahr 1734 nahm der Herzog Ernst August auf dem hiesigen Roßplatz (vor dem Geleitshause) eine Parade über sein Kürassierregiment ab.

Nach der Schlacht bei Auerstedt (14. 10. 1806) soll der Herzog von Braunschweig auf seiner Flucht nach Kölleda im „Weimarer Hofe“ in Buttstädt verbunden worden sein. Diese mündliche Überlieferung habe ich durch keinerlei Urkunden oder Akten bestätigt gefunden. Daß der Herzog von Braunschweig damals durch Guthmannshausen ge­kommen ist, beruht auch nur auf mündlicher Überliefe­rung, dürfte aber richtig sein; befand sich doch die ver­lorengegangene Laterne des herzoglichen Wagens lange Jahre in der Sammlung W. Grünewald‘s in Guthrnanns­hausen.

Auf dem Marsche nach Rußland kamen am 3. Mai 1812 6000 Mann französischer Kavallerie mit dem Marschall Murat durch Buttstädt. Davoust ist am Tage nach der Schlacht bei Auerstedt nicht nach Buttstädt gekommen. Seine Armee marschierte durch Buttstädt nach Erfurt. Davoust hatte Befehl erhalten, sich bei Kaiser Napoleon zu melden, um ihm genauen Bericht über die Schlacht bei Auerstedt zu erstatten. 30 100 Mann Franzosen unter Davoust hatten 58 300 Mann Preußen pp. unter dem Herzog von Braunschweig nicht nur geschlagen, sondern fast ganz vernichtet. Napoleon ernannte Davoust in Wei­mar „zum Herzog von Auerstedt“.

Die Annahme eines Chronisten, Napoleon könnte von der Flucht aus Rußland über Buttstädt gekommen sein, erweist sich als Irrtum. Napoleon reiste auf seinem Rückzug 1812 aus Rußland inkognito.

Er kam von Merseburg nach Eckartsberga, wo Pferdewechsel stattfand und fuhr mit dem Schlitten sofort weiter nach Weimar, und zwar auf der alten Heerstraße.

Am 11. April 1831 besuchte der Erbgroßherzog Karl Alexander den Buttstädter Ostermarkt.

Die Frau Großherzogin Marie Paulowna besichtigte am 7. August 1832 in Buttstädt die Industrieschule.

Auch Goethe soll in Buttstädts Mauern geweilt haben.

Am 7. Juli 1904 beehrten der Großherzog Wilhelm Ernst und seine junge Gemahlin, die Frau Großherzogin Caro­lina, Buttstädt mit ihrem Besuch.

Buttstädt braucht sich seiner Vergangenheit nicht zu schä­men. Viele Söhne unserer Stadt besuchten in alter und neuer Zeit die Universität und wurden tüchtige Juristen, Arzte, Chemiker usw. Einsichtsvolle Ratsmänner waren zu allen Zeiten immer nur um das Wohl der Stadt besorgt. Mögen die Buttstädter Märkte wieder das werden, was sie einstmals waren, die Haupteinnahmequelle der Stadt und ihrer Einwohner.

Buttstädter Märkte in alter Zeit
Anno Domini 1418 zum Allerheiligenmarket seynd die Zigeuner, insgemein Tartaren oder Tatern genannt, zum ersten Male uff unsern Market kommen, welche aber ein loses, diebisch, verrätherisch und ungetreues Volck seynd, deshalb nit geduldet, sondern von einem Orte zum Andern weiter fort und zurückgetrieben worden.

So ist auf einem Pergament zu lesen, dessen alte Schrift fast verblaßt ist.

Eine spätere Urkunde lautet:

Anno 1681 erläßt Herzog Johann zu Sachsen Weimar an den Rath zu Buttstedt ein gedrucktes Patent, daß die sogenannten Zigeuner, sie mögen Pässe oder Gnadenbrief­fe uffzeigen oder nicht, weder uff dene Märkten noch in denen Städten, Dörfern, Feldern und Hölzern geduldet, sondern auff- und fortgetrieben werden sollen.

Die Chronik berichtet weiter zu den Buttstädter Märkten folgendes: Schon früher erlangte Buttstädt eine gewisse Bedeutung durch verschiedene Gerechtsame, die ihr ver­liehen wurden. Die wichtigste war die Marktgerechtigkeit in bezug auf die mit Krammärkten verbundenen Viehmärkte.

Dieselben reichen zurück bis in unvordenkliche Zeiten. Es waren in früheren Jahrhunderten Ochsenmärkte, und zwar von einem ganz gewaltigen Umfange. In einem Schreiben des Rates zu Buttstädt an den Kurfürsten Johann Friedrich den Großmütigen sagte der erstere, diese Märkte beständen bereits seit mehreren hundert Jahren, und in einem Schrei­ben des genannten Kurfürsten an den Kaiser findet sich die Angabe, daß die Zahl der Ochsen, die zu den Buttstädter Märkten aus Ungarn und Polen angetrieben wurden, sich für jeden Markt auf 16 000 - 20 000 belaufe. Der Marktplatz erstreckte sich bis an den Donnersberg, damals der Galgenberg genannt. Für jeden Ochsen waren 2 Pfg. Abgabe an die Stadt zu entrichten, was in Summa eine nach dem damaligen Geldwert höchst bedeutende Einnah­me ergab. Deshalb war die Stadt eifrig bemüht, dieses Privilegium zu erhalten und gegen nachbarliche Konkur­renz zu schützen. Am 10. September 1513 hatte Graf Ernst zu Mansfeld von Kaiser Maximilian die Erlaubnis bekom­men, 14 Tage vor Michaelis in Artern einen Ochsenmarkt zu halten. Auf die dringenden Vorstellungen der Buttstädter intervenierte der Kurfürst Friedrich der Weise bei dem Kaiser und jener Markt durfte nicht ins Leben treten, da das schädlich für die Märkte in Buttstädt und Eckartsberga wäre. Ebenso geschah, als Karl V. der Stadt Eisleben die Gerechtigkeit erteilen wollte auf Aegidi einen Ochsen-markt zu halten. Der Protest war beide Male von Erfolg. Als der Rat zu Leipzig vom Kurfürsten Georg 1625 erlangte, zwei Ochsenmärkte zu halten, einen 8 Tage vor Michaelis, den anderen 8 Tage vor Allerheiligen, rief der Rat zu Buttstädt das fürstliche Haus Sachsen um Schutz seiner Freiheiten an, indem er sagte: Die Stadt Leipzig habe ein Obergericht, ein Oberkonsistorium, Schöppen­stuhl, Universität, 3 stattliche Jahrmärkte, hohe Autorität, fruchtbaren Boden und eine schöne Gegend; damit solle sie sich begnügen und den Buttstädtern das einzige und kleine Stücklein Brot gönnen.

Für die an der Heerstraße gelegenen Orte und ihren Fluren waren übrigens diese Märkte eine nicht geringe Plage, da die gewaltigen Ochsenmengen nicht gekoppelt, sondern in freien Herden getrieben wurden. Jeder Transport mußte vorher angesagt werden und die Bauern bildeten dann, mit Knüppeln bewehrt, Spalier längs ihrer Felder. Dabei mag es manchmal zu argen Händeln gekommen sein, wie aus einer noch vorhandenen „Beschwerde aus dem Jahre 1596 gegen die Gemeinde Teutleben wegen Anfall der Ochsen-händler auf offener Straße“ hervorgeht.

Die Ochsenmärkte wurden später durch die Forderungen zu hoher Geleitzölle durch einige Länder geschädigt, durch den Dreißigjährigen Krieg aber gänzlich vernichtet. An ihre Stelle traten die jetzigen Roßmärkte. Nach dem großen Brande des Jahres 1684 hat der Herzog Wilhelm Ernst, damit er die Stadt wegen diesen großen Schadens etwas trösten und einige Beihilfe tun möchte, derselben einen vierten Jahrmarkt jährlich auf den Dienstag und Mittwoch nach Estomihi zu halten vergünstigt.

Aus alter Zeit, von Wenigenbuttstedt, der schiefe Turm in Buttstädt
1. Die Reproduktion eines alten Kupferstiches von Al­brecht Dürer stellt allerhand ergötzliche Szenen eines Zechgelages von 40 Thüringer Landwirten aus der Zeit des späten Mittelalters dar. Oben, links, steht die Jahreszahl 1518. Oben, rechts, befindet sich das Dürerzeichen.

Unter dem Bilde in mittelalterlicher Rechtschreibung und ohne Angabe von Satzzeichen ist folgendes zu lesen:

Schaut den dollen Bauern Hauffen
Lustig sie beysammen Sauffen
Wann ist Sonntag in der Schenck
Da sie ohne Sorgen sitzen
Biß der Trunk sie Thut erhitzen
dann so setzets wunde Schwenck.

Mancher es mit Andacht meint
alles Jauchzt und schreyt vereint
Ein Paar drehet sich beyseit
Dieser liegtim Koth und Speyt
Dort Hanß um die Greten freyt
Fort - wer nit kann tun Bescheit.

Was unsere Altvordern an Speisen und Getränken vertilgen konnten, ergibt die auf dem Bilde weiter angegebene Speisenfolge, welche, - der Verständlichkeit wegen, ins Hochdeutsche übersetzt - wie folgt lautet:

4 Fässer Bier, 30 Ferkel, am Spieß gebraten, zwei Fersen, 20 Gänse und Enten und 25 Hühner. Dieses Menü dürfte nicht nur ein reichhaltiges, sondern auch ein auserlesenes gewesen sein. Leider wurde das alte Bild, aus dem Nachlaß W. Grünewald‘s stammend, einem Kunsthändler der Großstadt verkauft.

2. Daß es in Buttstädt ums Jahr 1780 herum nicht nur duldsame, sondern auch sehr bibelfeste Frauen gab, erzählt eine alte Schrift.

Barbara Winin beklagt sich über ihren „Ehegeliebten“ „ob seiner großen Saufferey“. Sie „schreibt“ ihm auf originelle Art die Leviten.

Als der Sünder in vorgerückter Nachtstunde feuchtfröhlich heimkommt, sucht er vergebens nach seiner Frau, die sich versteckt hat. Da sieht er auf dem Tische zwei Zettel liegen. Auf dem einen steht:
Jesaias 5, 11: „Wehe denen, die des Morgens früh auf sind, des Saufens sich befleißigen und sitzend bis in die Nacht, daß sie der Wein erhitzet.“

Der zweite Zettel lautet:
Psalm 39, 3: „Ich bin verstummet, still und schweige der Freuden und muß mein Leid in mich fressen.“

Trunkfeste Buttstädter Bürger haben mir versichert, daß die Frauen der heutigen Zeit andere Mittel in Anwendung bringen.

3. Der Sohn eines längst verstorbenen achtbaren Buttstäd­ter Bürgers studierte in Jena Theologie.
Als überzeugter Gambrinus-Jünger schrieb er in das Stammbuch eines Freundes folgenden Vers:
Das Wasser gibt dem Ochsen Kraft, dem Burschen Bier und Rebensaft. Drum Bruder, trinke Bier und Wein, der Teufel mag ein Ochse sein!

Leider starb der originelle Dichter als junger Student an den Folgen einer schweren Kopfverletzung, die er im Zweikampf erhalten hatte.

Von Wenigenbuttstedt
Die allgemein verbreitete Ansicht, Wenigenbuttstedt sei im Dreißigjährigen Kriege zerstört worden, ist nicht ganz richtig. Aus den mir zur Verfügung stehenden Akten und Urkunden habe ich von einer gänzlichen Zerstörung nichts festzustellen vermocht. Wenigenbuttstedt wurde vielmehr von seinen Bewohnern verlassen.

Wie so viele Dörfer mußte auch Wenigenbuttstedt etwa von 1632 all die Greuel des Krieges über sich ergehen lassen. Wenn man die alten Schriften liest, gewinnt man Verständnis für die durch die Schweden verursachten Leiden der Wenigenbuttstedter Einwohner. Um nicht den verwahrlosten Soldaten ausgeliefert zu sein, verließen sie lieber ihr Heimatdorf, ließen Haus und Hof verfallen, suchten und fanden Schutz in Buttstädt, hinter dessen festen Stadtmauern.

Das Regentenbuch meldet darüber folgendes:
„Anno 1641 ist das Dörfflein wenigen Buttstedt, dann der Rath allhier die Gericht hatte, durch Krieg und Plün­derung ganz eingegangen undt die einwohnern darinn hieher in die Stadt gezogen; und weil die Streiffdiebe der Soldaten Sich darin heimlich aufgehalten, hat der Rath etzliche noch wuest stehende Häußlein abschaffen lassen undt ist also die gemeinde vergangen, auch das Kirchspiel seine Endtschaft nehmen müssen. Der Pfarrherr ist damals gewesen Herr Heinrich Gehrlach, ein Stadt Kind, so nacher Gutenhausen vociret worden. Die zwo Kleinen Glocken seindt von bekannten Dieben heimlich von den Thurm genommen, die große anhero in die Wage beigesetzt worden.“

Der schiefe Turm zu Buttstädt

In dem kleinen Helm unserer Turmbedachung sind be­kanntlich die beiden Glocken untergebracht, welche mit der Turmuhr in Verbindung stehen; auf der größeren, tiefer hängenden, die auch in der guten alten Zeit als Sturmglocke diente, wird die Stunde geschlagen, eine kleinere, darüber befindliche, meldet die Viertelstunden. Die letztere Glocke zersprang. Damit das Herabfallen des Bruchstücks keinen Schaden verursacht, wurde die Glocke 1904 herabgenom­men und an deren Stelle eine andere, etwas größere Glocke aufgehängt, die früher zum Geläut gehörte und im Rats­archiv aufbewahrt wurde. Die defekte, wettergeschwärzte Glocke, aus der von der oberen Wölbung ein Stück in der Größe eines Kindskopfes herausgebrochen war, wog etwa 60 bis 70 Pfund und wurde nach der Inschrift 1684 in Erfurt gegossen. Sie hing in Zapfen und hatte auch einen Klöppel. Wegen des engbegrenzten Raumes wurde diese kleine Glocke nur mit dem Hammer der Uhr in Kontakt gebracht. In ihrer luftigen Höhe während der 220 Jahre dürfte sie nur einmal in schwingende Bewegung gekom­men sein, und zwar am 24. Oktober 1690, an welchem Tage sich der Turm so stark neigte, daß, wie in Gärtners Chronik berichtet wird: „Der Viertel-Seyger an zu stürmen fing.“ Seit diesem Tage steht der Turm nicht mehr lotrecht.

Vom weitesten Hügel
Für die Entstehung des weitesten Hügels hat man noch keine genügende Erklärung finden können. Die jetzige Gestalt des Hügels ist neueren Datums. Seine ursprüngli­che Form war höher und spitzer. Erst 1844/45, zur Zeit des Baues der nach Weimar führenden Staatschaussee, hat man dem Hügel durch Zuführung ausgeschachteter Erde seine jetzige Form und Größe verliehen. Zweck der Sache war, den hohen und schwer zu besteigenden Hügel zu einem Ruhe- und Aussichtspunkte umzubilden. Auch die Bepflanzung des Hügels mit Bäumen und Ziersträuchern datiert erst aus jener Zeit. Wie von älteren Bürgern berich­tet wird, gab es früher an jener Staatsstraße, zwei Feldlän­gen von Buttstädt enfernt, noch einen Hügel, den man „den nächsten Hügel“ nannte. Der „nächste Hügel“ war kleiner als der „weiteste Hügel“ und ist nach und nach abgetragen worden.

Die Angaben des Aktuars Putsche, beide Hügel seien prähistorische Begräbnisstätten, sind mit Vorsicht auf­zunehmen. Die Tatsache, daß bei der Aushöhlung des weitesten Hügels zwecks Herstellung eines Aufbe­wahrungsraurnes auf Knochenreste gestoßen wurde, bildet keinen Beweis für prähistorische Gräber, so lange nicht festgestellt werden kann, welcher Art und Beschaffenheit jene Knochen waren.

Weitere ähnliche Hügel befinden sich bei Umpferstedt und Backleben. Die Straße am weitesten Hügel war seit urdenklichen Zeiten der Weg nach Weimar und Erfurt.

In alten Chroniken ist wiederholt zu lesen, daß sich Städte von erhöhten Punkten aus den Anmarsch feindlicher Kriegsheere durch Feuersignale melden ließen. Seiner ganzen Lage nach muß auch der weiteste Hügel eine derartige Signalstation gewesen sein.

Nach dem Regentenbuche ist in Buttstädt im Jahre 1529 mit dem Bau einer Stadtmauer begonnen worden. 1558 wurde der Bau am Rastenberger Tor beendet. Die Mauer war mit ihren Toren und Türmen fertig.

Vor dieser Zeit war also Buttstädt eine offene, ungeschützte Stadt ohne Aussichtsturm, die namentlich nachts vom Feinde leicht erstürmt werden konnte. Was lag da näher, als Aussichtspunkte zu schaffen, um die Stadt rechtzeitig zur Verteidigung rüsten zu können. Das dürften wohl der Gründe gewesen sein, die beiden Hügel zu errichten; wurde doch Buttstädt, wie der Chronist sagt, 1450 „ganz ausgebrennt“ und verwüstet.

Wie aus alten Erfurter Urkunden, die sich im Besitze von Wilhelm Grünewald befanden, zu ersehen ist, wurde der weiteste Hügel „als Wache für freies Geleit“ genutzt. Die Urkunden berichten, daß reisenden Kaufleuten vom wei­testen Hügel bis Erfurt „freies Geleit“ zum Scbutz ihres Lebens und ihrer Waren gewährt wurde, indem man ihnen „ein Fähnlein gewappneter Reyter“ mitgab. Mithin muß am weitesten Hügel eine Station für eine Geleitwache gewesen sein. Buttstädt hatte ein Geleitamt. Es wird, wie dies in kleinen Städten üblich war, aus einem Geleitmeister und 10 Geleitmännern bestanden haben. Daß das Fritz Böhmer‘sche Haus das Geleithaus gewesen ist, wird durch die in den Händen des jetzigen Besitzers befindlichen Urkunden bewiesen.

Infolge seiner erhöhten Lage war der weiteste Hügel die beste Stelle der offenen Stadt, das Herannahen feindlicher Kriegsscharen durch weithin bemerkbare Warnungssigna­le zu melden. Für eine Geleitwache war der Hügel deshalb geeignet, weil er an der höchsten Stelle der Straße liegt und von dort aus alles übersehen werden kann.

Als der König Gustav Adolf am 29. Oktober 1632 hier übernachtete, ließ er alle nach Buttstädt führenden Wege besetzen. Auch der weiteste Hügel wird eine schwedische Wache erhalten haben. Was die Einwohnerschaft unserer Stadt damals hat erdulden müssen, mag man daraus er­messen, daß ein schwedischer Dragoner am hellen Tage, kaum 100 Schritte vom Hauptquartier seines Königs ent­fernt (auf dem alten Kommarkt) an einem 12 Jahre alten Kinde ein scheußliches Verbrechen beging. Der Chronist meldet, daß dabei ein schwedischer Trompeter noch „mus­sizieret“ habe.

Die früheren Herzöge von Weimar hielten beim weitesten Hügel ihre Feldlager ab, wobei der Hügel regelmäßig eine Feldwache bekam. Auch Zieten war mit seinen Husaren am weitesten Hügel. Dr. Martin Lezius teilt im „Daheim“ darüber folgendes mit:

Der Rittmeister von Zieten war mit seinem Husaren-Korps auf dem Wege zum Heere des Prinzen Eugen, der gegen die Franzosen am Rhein im Felde stand. Friedrich Wilhelm I. hatte dem jungen Rittmeister seine Husaren auf die Seele gebunden. „Er gehe jetzt in den Krieg und soll mir zeigen, ob die Husaren nur zum Staat oder auch vor dem Feind gut sind“, hatte ihm der König zum Abschied gesagt. Am 19. April 1735 hatte sich Zieten in Marsch gesetzt und kam mit seinem Korps bei dem Ritt quer durch Deutschland auch nach dem Flecken Buttstädt, wo gerade der Herzog von Weimar ein Feldlager abhielt. Mit offenen Armen wurden die Husaren empfangen, der Wein floß in Strömen und nach Husarenart wurde gezecht, bis die Trompete zum Aufsitzen rief. Der Herzog bat Zieten, ihm ein Manöver seiner Husaren vorzuführen, damit er deren Fechtart ken­nenlernte. Die Anordnungen waren schnell getroffen, bald war ein kleines Scheingefecht im Gange. Aber - ist es der Wein gewesen - aus dem Scheingefecht wurde Ernst, man griff zu den scharfen Patronen, und dann plumpsten auch schon die ersten Husaren aus dem Sattel. Zieten sah zu seinem Schrecken, daß sein Korps vielleicht aufgerieben sei, bevor es den ersten Feind gesehen hatte. Nur mit Mühe gelang es ihm, die feindlichen Brüder voneinander zu trennen. Die paar Verwundeten wurden der Obhut des Herzogs übergeben, der sich ihrer auf das menschen­freundlichste annahm. Zum Glück Zietens erfuhr der König nichts davon; der junge Rittmeister, der schon zweimal seinen Abschied hatte nehmen müssen, wäre nun wohl endgültig fortgejagt worden, und die preußische Geschichte hätte von „Zieten aus dem Busch“ nichts berichten können. Am Rhein angekommen, meldete er dem König ganz kurz, daß bei der Schwadron alles im guten Stande wäre, „außer, daß ein Husar namens Schablowitz gestorben sei“; wohl ein Verwundeter von Buttstädt, der erste Tote also, den die preußische Husarenwaffe zu beklagen hatte.

Am 14. Oktober 1806 hörte man hier den Kanonendonner der Schlacht bei Auerstedt. Am späten Nachmittag jenes denkwürdigen Tages bis in die Nacht hinein marschierten französische Truppen aller Waffengattungen durch Butt­städt. Weil sie Marschbefehl nach der Festung Erfurt hatten, müssen sie am weitesten Hügel vorübergekommen sein.

Am 3. Mai 1812 gelangten von Erfurt 6000 Mann franzö­sischer Kavallerie unter dem Befehl Murat‘s in die Nähe des weitesten Hügels. Ihre Vorhut erstieg ihn zur Reko­gnoszierung. Erst dann setzte die Heeresabteilung den Marsch nach Rußland über Buttstädt fort.

Außer Murat und seinen Generälen werden nur wenige der Vorüberziehenden Frankreich wiedergesehen haben. Auf den Eisfeldern Rußlands, bei Smolensk, Borodino und an der Beresina, dürften sie „zur anderen großen Armee“ eingegangen sein.

Einige Jahrzehnte später wurde ein Buttstädter Bürger, der Salzfuhrmann Hammer, tödlich verunglückt, am weitesten Hügel aufgefunden.

Wenn der alte Hügel reden könnte, er würde uns noch sehr viel erzählen. Möge er Buttstädt als Wahrzeichen alter Zeit noch lange erhalten bleiben.

Sagen von Buttstädt
Wenn wir über Buttstädter Sagen berichten, müssen wir uns dankbar eines Mannes erinnern, aus dessen Feder sie in nachstehender Form geflossen sind; jenes Mannes, der keine Mühe scheute, Sagen der Heimat aus alten Büchern, Akten usw. richtig wiederzugeben, wobei ihm seine Freun­de, darunter auch meine Wenigkeit, nur eine schwache Hilfe sein konnten.

Ich meine unseren hochgeachteten, früheren Mitbürger, den Oberpostsekretär Heinrich. Sage und Poesie sowie klassische Musik waren Gebiete, die er so sehr liebte, und für die er jederzeit schriftstelle­risch tätig sein konnte. Leider nahm ihm der Tod die Feder allzufrüh aus der Hand; in Stendal, im Jahre 1917, ist unser lieber Freund „in die Heimat der Töne“ hinübergegangen.

Der blasende Engel
Das Wahrzeichen von Buttstädt ist ein Engel mit einer Flöte in der Hand, wie man sein steinernes Bild am Rathause sieht. Im Hussitenkriege nämlich hat sich, als die Feinde nahten, ein Engel mit einer traurigen Weise, die er auf der Flöte blies, über der Stadt hören lassen, und hat die Einwohner so auf die nahende Gefahr aufmerksam gemacht; darum hat man ihn aus Dankbarkeit zum Wahr­zeichen genommen.

Ein Kind wiegt schwerer als der Teufel
Zu Buttstädt auf dem Brühl wohnte vor alter Zeit ein Ehepaar, das war schon lange verheiratet, aber die Ehe war kinderlos geblieben, und sie wünschten sich doch so sehr ein Kind; da ließen sie sich doch endlich vom Teufel verblenden, der versprach ihnen, sie sollten eins haben, wenn es nachher sein eigen sein sollte. Darauf gingen sie ein, und die Mutter gebar auch danach einen Knaben; aber als sie das unschuldige Kind nun zum ersten Male lächeln sahen, da war es ihnen doch so weh ums Herz, und es wurde ihnen immer bänger und bänger, und sie flehten zu Gott, daß er das Unglück wenden möge. Da sandte ihnen

der Herr einen Engel, der gebot dem Teufel, sich auf die eine Schale einer Waage zu setzen, legte das Kind in die andere und sagte, wenn er schwerer sei, so solle er‘s behalten. Da sank die Schale, in der das Kind saß, tief hinab, und sogar als der Teufel noch einen Mühlstein nahm und mit sich auf die Schale setzte, konnte er doch nicht herunterkommen. Da ging er zornig von dannen; zum Andenken aber hat man auf dem Ratsbrunnen einen Engel mit einer Waage, in deren Schale der Teufel mit dem Mühlstein und das Kind sitzen, abgebildet.

Die drei Lohjungfern
Im Loh bei Buttstädt lassen sich zu Zeiten drei weiße Jungfrauen sehen, die sind wunderschön und sitzen dann an einem goldenen Tisch, auf dem köstliche Speisen stehen. Das sind die Lohjungfern und man erzählt, es seien einmal drei Fräulein gewesen, denen habe das Loh gehört, bei ihrem Tode hätten sie es aber den Armen von Buttstädt vermacht, der Rat habe es denen jedoch in späterer Zeit wieder abgenommen und seitdem haben die Lohjungfern keine Ruhe im Grabe.

Die Lohlaterne
Im Loh, einem Hölzchen bei Buttstädt, zeigt sich (aber jetzt nicht mehr) die Lohlaterne; die bewacht dort einen Schatz, den nur der heben wird, welcher siebenmal hin­tereinander niest. Man sieht sie nie in ganzer Gestalt, sondern nur ihre eine Hand, in der sie eine Laterne hält; so umwandelt sie einen gewissen Fleck und verschwindet dann. Sie tut niemandem etwas zuleide, wenn sie nicht gereizt wird; einer aber, der sie einmal erblickte, war neugierig, sie in der Nähe zu sehen, da ritt er auf sie zu, aber indem kam sie ihm auch schon entgegen und zer­schlug ihn so gewaltig, daß er nur Gott dankte, noch mit dem Leben davonzukommen.

Zur Legende vom blasenden Engel
Der blasende Engel als Wetterfahne auf dem Turme unserer Michaeliskirche ist nicht nur ein zur Verzierung angebrach­tes Bildwerk, er gehört vielmehr zu den Wahrzeichen unserer Stadt. Als die zur Verheerung des Ortes anrücken­den Scharen der Hussiten nahten, blies ein Engel über der Stadt auf einer Flöte traurige Weisen und machte dadurch unsere Bevölkerung auf die nahende Gefahr aufmerksam. Zum Gedächtnis dessen ließ man sein Bild - einen Engel mit der Flöte in der Hand - in eine Steintafel meißeln und brachte diese an der Außenwand des Rathauses an. Später verewigte man die rettende Tat in der noch vorhandenen Form bei Herstellung einer neuen Turmfahne. - In der Gedankenwelt der Kinder spielt das Erscheinen überirdi­scher Wesen in menschlicher Gestalt eine bevorzugte Rolle; damit man durch fesselnden Unterhaltungsstoff solcher Art das Sinnen unserer heranwachsenden Jugend der geschichtlichen Vergangenheit ihres Heimartortes zuwende, wird hier nur die wenig bekannte Legende erzählt.

Zwar ist der himmlische „Flügeladjutant“ ein unsicherer Kantonist, der weder vor dem Forum der gesunden Ver­nunft, noch vor den Schranken der geschichtlichen Über­lieferung mit Ehren bestehen kann. Abgesehen von der Möglichkeit seiner wunderbaren Erscheinung weist seine Geschichte auch für den Unbefangenen eine Anzahl zwei­felhafter Momente auf, deren Erörterung, da es sich um die Beglaubigung eines städtischen Wahrzeichens handelt, wohl auf das Interesse meiner Mitbürger Anspruch erheben darf. Daß Buttstädt einstmals von den Hussiten bedroht war, daß man durch Flötenspiel auf nahende Kriegsgefahr hingewiesen wurde, daß ferner am Rathause früher eine Steintafel mit der Abbildung des Engels vorhanden gewe­sen sein soll, sowie der Umstand, daß der Engel in der Windfahne jetzt statt der Flöte ein anderes Instrument führt, sind im Wanderbuche des überirdischen Musikanten rätselhafte Punkte, die der Aufklärung bedürfen.

Die Sage ist ein Erzeugnis der dichterischen Volkspoesie; sie hat den Zweck, Geschehenes überirdisch zu deuten oder zu erklären und betritt das Gebiet der Legende, sobald die katholische Kirche mit ihren Geheimmitteln in Frage kommt. Der blasende Engel ist nach meiner Ansicht auf beide Stammformen getauft.

Während aber andere Legenden ihren Schauplatz meist im Dunkel einer unbekannten Vergangenheit etablierten, taucht der blasende Engel mitten im fahrbaren Geleise unserer Ortsgeschichte auf. Als (wie uns das Regentenbuch berichtet) Wolf Mulich aus Hardisleben 1419 beim Herzog in Ungnade fiel, waren die Hussitenunruhen unter Ziska noch nicht zu einem förmlichen Kriegszuge ausgeartet; als hingegen 1450 Emsen zerstört wurde, als zwanzig Jahre später Herzog Wilhelm die Buttstädter Ratsherren mit den bekannten Worten entließ: „Ihr Herren von Butstadt, ziehet hin mit eurem Bericht, Gott behuete mich vor eurem Gericht“, müssen noch Augenzeugen von der wunderbaren Erscheinung des blasenden Engels vorhanden gewesen sein, die über den Ursprung der Sage ausführliche Kunde zu geben imstande waren. Aber weder Stadtvoigt Ladensack, der Autor des mit dem Jahre 1410 beginnenden Regentenbuches, noch einer der anderen Chronisten, weiß von dem geheimnisvollen Vorgange zu berichten, auch hat uns die Chronik keinen Nachweis hinterlassen, daß Butt­stätt jemals durch die Hussiten bedroht war. Die neueren Geschichtsforscher ziehen vielmehr in Zweifel, daß Pro­kop der Große überhaupt bis in die hiesige Gegend vor­gedrungen ist und verweisen sogar die Historie von der angeblichen Belagerung Naumburgs am 28. Juli 1432, aus welcher die Feier des Kirschfestes hergeleitet wird, in das Reich der Sage. Also auch diese Erzählung von dem Bittgange der Naumburger Schuljugend zu dem Hussiten­general, der vor der Stadt erschienen war, um den Bischof Goch aus seinem Palast herauszuräuchern, weil er für den Feuertod des Johannes Huß gestimmt hatte, ist geschicht­lich nicht verbürgt. Selbstredend kann der Mangel geschichtlicher Beglaubigung den Wert der mündlichen Überlieferung nicht in den Schatten stellen; was nicht niedergeschrieben ist, kann jedoch geschehen sein; hat doch unser Regentenbuch selbst für das Unglücksjahr 1684 nur ein weißes Blatt übrig. Unter dem Gesichtswinkel verwandter Tatsachen lassen sich auch die auf dem Felde unserer Ortsgeschichte verwischten Konturen der Sage vom blasenden Engel recht wohl erkennen. Bekanntlich galt der Kriegszug des gefürchteten Hussitenführers der Zerstörung der Klöster und katholischen Kirchen. Als er mit seinen Scharen in Sachsen einfiel, befestigte man deshalb aller Orten mit großer Eifrigkeit die Städte. Wie leicht erklärlich, war auch der hiesige katholische Pfarrer für die Erhaltung seines Gotteshauses besorgt; um die gläubige Gemeinde durch ein Zeichen von oben zur Er­greifung von Schutzmaßregeln anzufeuern, wurde vermut­lich der fromme Betrug mit dem blasenden Engel in Szene gesetzt.

Auf welche Art der Engel sich offenbarte, wissen wir nicht und hat auch für unsere Besprechung keinen Wert. Wer schlechterdinge an der mutmaßlichen Autorschaft des Klerikers zweifeln möchte, wird durch die Mitteilung eines Besseren belehrt, „daß die Bevölkerung durch das Flötenspiel auf die nahende Kriegsgefahr hingewiesen wurde“. Eine solche banale Verrenkung der allgemeinen Begriffsverhältnisse dem Volke zu suggerieren, war nur früher möglich. Wer konnte die Umwertung des Flötenspiels in die Kassandrabotschaft wohl glaubhaft zustande bringen und wer konnte anderereits ein Interesse daran haben, den Sendboten der heiligen Cäcilie gerade für diesen Zweck auszuschlachten, wenn er nicht selbst in die Erscheinung gerufen wurde.

Mit vorstehendem Artikel soll niemand beleidigt, noch in seinem religiösen Empfinden verletzt werden, am allerwe­nigsten unsere geschätzten katholischen Mitbürger. Es soll nur klargestellt werden, daß Ortssagen meist auch nicht ein Körnchen Wahrheit zugrunde liegt.

Großfeuer in alter Zeit
Der Chronist berichtet über einen großen Brand in Butt­städt im Jahre 1335. Buttstädt hatte damals noch keine Befestigungsmauer und soll von feindlichen Truppen ge­nommen und durch Feuer arg verwüstet worden sein.

Weiter meldet uns der Chronist, daß Buttstädt im Jahre 1450 „ganz ausgebrennet“ und verwüstet wurde. Etwas Näheres ist dabei nicht angegeben. Als Bandstifter können nur die verwilderten Heerscharen des Bruderkriegs in Frage kommen.

Eines der größten Schadenfeuer, die Buttstädt jemals heimgesucht haben, dürfte der am 18. Juli 1684 ausgebro­chene Brand gewesen sein. Die Wohnhäuser unserer Stadt hatten damals noch Strohdächer. Das in der Oberstadt ausgebrochene Feuer flog sprungweise von einem Stadtteil zum anderen, so daß an eine Bekämpfung gar nicht zu denken war. Mit rasender Eile wälzte sich die mächtige Feuersäule von Straße zu Straße. Infolgedessen war bald die ganze Stadt ein einziges, großes Feuermeer. Auch unsere Kirche und der Turm fielen den Flammen zum Opfer.

Alle öffentlichen Gebäude, 180 Wohnhäuser mit Ställen und Scheunen, wurden durch Feuer vernichtet. Buttstädt war nur noch ein großes Ruinenfeld mit verkohlten Lei­chen und voller verzweifelter, obdachloser Menschen.

Dieser große Brand soll, wie der Chronist sagt, von einer liederlichen Weibsperson, namens Liese Meyer, angelegt worden sein. Liese Meyer diente bei einem Hufschmied Rau, welcher ihr die Ehe versprochen, sein Versprechen aber nicht gehalten haben soll. Aus Rache darüber setzte die Meyer das Haus ihres Dienstherrn in Brand.

Nachdem die Brandstifterin ihre schändliche Tat einge­standen hatte, wurde sie vom Rate der Stadt zum Feuertode verurteilt. Am 5. August 1685 wurde sie in Emsen ver­brannt. Zur Hinrichtung wurden 1 Schock Stroh, 11/2 Schock Reisig, 3 Klafter Holz, sowie zum Anzünden Pulver, Pech und Schwefel benötigt. Aus der Reichhaltig­keit und der Menge des Brennstoffs ersieht man, daß sich die Väter unserer Stadt bei derartigen Hinrichtungen nicht knauserig zeigten.

Seit jener Zeit ist Buttstädt von großen Schadenfeuern - abgesehen von den Bränden 1826 und 1843, wodurch wieder 40 Häuser vernichtet wurden - verschont geblie­ben.

Unsere alte Feuerspritze, welche die Inschrift trägt: ‚ ‚Feu­erkunst der Fürst. Sächs. Weimarischen Stadt Buttstädt Anno 1605“, war noch Zeuge des 1684 erfolgten großen Brandes. Über drei Jahrhunderte hat die alte Spritze bei der Feuerbekämpfung treue Dienste geleistet. Sie ist eine mit hölzernen Achsen versehene sogen. Stoßspritze. Weil eine Saugvorrichtung fehlt, mußte der Spritze ständig Wasser zugeführt werden. Das Strahlrohr ist ein auf dem Wasserbehälter aufmontiertes Wenderohr.

Diese Spritze ist zum letzten Male im Jahre 1884 beim Scheunenbrand im Gehöft der Frau Pauline Becker hier benutzt worden. Der Wasserdruck der alten Feuerspritze war damals noch so stark, daß das Giebelfachwerk sofort zum Einsturz gebracht wurde.

Auch in den benachbarten Städten Weimar und Erfurt brachen um 1685 herum große Brände aus. Zu wundern braucht man sich darüber nicht, bedienten sich doch die Bewohner der Städte zur Beleuchtung nicht selten noch offener Pech- und Kienfackeln.

Beinahe alle Häuser hatten Strohdachung, ja viele Häuser nicht einmal Schornsteine.

Häuser ohne Schornsteine gab es nach einer alten Chronik noch im Jahre 1727 in Berlin. Von da ab wurden sie durch ein einfaches Mittel abgeschafft. König Friedrich Wilhelm I. erließ nämlich eine „königlich-preußische Feuer-Ord­nung“ für Berlin, in welcher es hieß: „Denen, welche noch keine Schornsteine haben, bleiben so lange Feuer und Herd zu halten gänzlich untersagt, bis die Schornsteine völlig von Grunde an bis oben ausgemauert.“ Auch die hölzernen Schornsteine wurden durch diese Feuerordnung abge­schafft. Solche alten Dokumente geben überhaupt wertvolle Zeitbilder. So erfahren wir aus dem Dokument, daß es anno 1727 noch Schindeldächer, hölzerne und mit gepichten Brettern belegte Altane und gepichte hölzerne Dachrinnen gab. Wir erfahren ferner daraus, daß die Hausfrauen von damals es liebten, die Waschkessel auf freiem Hofe aufzustellen sowie daß damals noch Flachs in Berlin getrocknet, rein gemacht und geschwungen wurde. Die damals auf den Straßen vorhandenen Öllater­nen ließen viel zu wünschen übrig. Aus der Feuer-Ordnung von anno 1727 ersehen wir, daß man sich deshalb abends der Pech- oder Kienfackeln zum Nachhauseleuchten be­diente und es liebte, sie an Häusern, Brücken oder Later­nenpfosten abzuklopfen. Es wurde deshalb durch die Feuerordnung befohlen, „vornehmlich bei windigem Wetter“ sich der Laternen nicht zu bedienen, bei Strafe der Arretierung. Lederne Feuereimer mußten nicht nur in jedem Hause sein, sondern die Zünfte mußten auch bei ihrem Altmeister eine bestimmte Anzahl deponieren, die Kramer 30, die Materialisten 50, die Barbiere 10, die Schneider 72, die Schächter 41 usw. Ebenso mußten auf den Rathäusern solche Eimer hängen, auf dem in Berlin 150, auf dem in Köln 100 usf. An Schlauch- und Rohrspritzen waren 13 Stück vorgeschrieben, außerdem exi­stierten zwei Prahmspritzen.

Wegen Feuersgefahr brauchen wir in unserer Zeit nicht mehr beunruhigt zu sein. Großfeuer, wie in früheren Jahrhunderten, kann in Buttstädt nicht mehr stattfinden. 4 Feuerspritzen, darunter eine moderne Motorspritze, stehen zur Bekämpfung des Feuers bereit. Außerdem verfügen wir über eine Feuerwehr, auf die unsere Stadt stolz sein kann.

Buttstädter Feuerwehr war es wiederum in jüngster Zeit, die eine Ausbreitung der Brände in Willerstedt, Mattstedt, Eckartsberga, Herrengosserstedt, Tromsdorf usw. durch ihr tatkräftiges Einschreiten verhinderte. Daß unsere Feuer­wehr in jeder Beziehung auf der Höhe ist, hat sich erst unlängst beim Ziegfeld‘schen Brande wieder bewiesen. Vor 50 Jahren wäre zweifellos ein ganzer Stadtteil in Flammen aufgegangen.

Gott zur Ehr,
dem Nächsten zur Wehr,

das trifft in erster Linie auf unsere Feuerwehr zu.

Buttstädter Meisterbrief und die Femegerichte
Ein auf Pergament geschriebener, vor über 300 Jahren in Buttstädt ausgestellter Meisterbrief beurkundet, daß der „ehrsame Junggesell“ Heinrich Christian Brückner die „Fleischhauer-Profession“ erlernt hat usw.

Am unteren Rand der Urkunde befindet sich ein golddurch­wirktes, seidenes Band, welches mit einem sogenannten Kapselsiegel versehen ist.

In der Kapsel, die aufgeschraubt werden kann, ist das Siegel der ehemaligen „Fleischhauerzunft“ von Buttstädt enthalten. Es zeigt ein Schlagbeil und einen Bullen. Auf der Innenseite des aufgeschraubten Deckels der Kapsel ist folgendes eingraviert: S.S.G.G.
Diese Zeichen bedeuten die geheime Losung der damals noch bestehenden Ferne.

Aus alten, auswärts befindlichen Schriften konnte festge­stellt werden, daß ein aus Buttstädt stammender Ratsherr Brückner „der heiligen Ferne“ als „Freischöffe“ angehört hat.

Was den Buttstädter Handwerksmeister zum Eintritt in den gefürchteten Geheimbund der Feme veranlaßt hat, war nicht zu ermitteln; ebensowenig konnte festgestellt wer­den, ob, wann und wo Brückner jemals im Dienst der Feme tätig gewesen ist.

Eine kurze Schilderung der Ferne dürfte interessieren:
Aus den im 14. Jahrhundert in Westfalen befindlichen Freigrafengerichten wurden auf Veranlassung des Erzbi­schofs von Köln a. Rhein die sogenannten Volks- oder Femegerichte gebildet, die während der ganzen Zeit ihres Bestehens unter der Oberhoheit des jeweiligen deutschen Kaisers und unter der Oberhoheit der Katholischen Kirche standen.

Obgleich die den Zweck haben sollten, Abhilfe hinsichtlich des in damaliger Zeit überhandnehmenden Raub- und Fehdewesens zu schaffen, waren sie für den Anfang nur ein schwacher Notbehelf gegen die Gewalttaten des Faustrechts und gegen „den frechen Übermut des gewappneten Mannes“.

Nach kaum 50jährigem Bestehen hatten die Femegerichte aber bereits eine derartige Macht erreicht, daß die zu vollstreckenden Todesurteile mit furchtbarer Sicherheit überall im deutschen Reiche, in der Hütte des Armen, im Hause des reichen Bürgers, selbst in der Feste des Raubritters ausgeführt werden konnten.

Alle nach der Carolina mit dem Tode bedrohten Verbrechen gehörten zur Kompetenz des Femgerichts. (Erklärung über die Carolina siehe am Schlusse des Aufsatzes.) Als oberster Gerichtsherr führte jeder Freigraf in Westfalen den Vorsitz und bildete mit 6 Freischöffen den „Freistuhl“, d. h. den Ort, wo die Ferne gehegt und gepflegt und bei der Anwe­senheit des Angeklagten das eventuelle Todesurteil mittels des „Greins“ (das ist ein aus Weidenruten geflochtener Strang) alsbald vollstreckt wurde.

Eine Femegerichtssitzung fand wie folgt statt: An einsamer Stelle im Walde ist das Femegericht mit dem Vorsitzenden (auch Stuhlherr genannt) und der betreffenden Zahl Frei­schöffen voll versammelt. Alle haben das Angesicht der scheidenden Sonne zugekehrt und sind sämtlich tief ver­mummt und bewaffnet. Die Anklage soll im „offenen Ding“, d. h. öffentlich verhandelt werden. Nach dreima­ligem Namensruf betritt der Angeklagte den Platz vor den Freischöffen. Vor ihm, auf einem steinernen Tische liegt ein Totenschädel, rechts davon ein Schwert und links ein ‚Grein“ (Ast bzw. Weidenrutenstrang). Zwei Freischöffen verlassen nach Abhaltung der Femwroge (die Verkündung, daß im Namen des Kaisers Gericht gehalten werden solle) und die Fragen des Stuhlherrn (Vorsitzenden) über die ordentliche Besetzung des Gerichts ihre Plätze. Einer der Freischöffen nimmt auf der rechten Seite des Angeklagten als Ankläger, der andere auf der linken Seite des Ange­klagten als sofortiger Vollstrecker des Todesurteils, Platz. Die Vollstreckung des Todesurteils erfolgt durch Erhängen.

Zum Zeichen dafür, daß die „heilige Ferne“ gerichtet hat, wird neben dem Leichnam des Gerichteten ein mit drei Kreuzen und mit den Buchstaben: S.S.G.G. (d. h. Strick, Stein, Gras, Grein, der geheimen Losung der Freischöffen), versehener Dolch gelegt.

Das Verfahren beruht auf dem Grunde des Anklageprozes­ses. Mit 6 Eideshelfern kann der Angeklagte die Anklage entkräften, während der Ankläger dieselbe mit 14 Eideshelfern neu begründen kann.

Die Freischöffen oder „Wissenden“ mußten freie Männer von tadellosem Rufe und Christen von ehelicher Geburt sein. Sie mußten durch Eid bei Todesstrafe der Ferne geloben, gehorsam zu dienen und tiefes Schweigen zu bewahren gegen Vater und Mutter, Bruder und Schwester, Weib und Kind, Freund und Feind, oder wie die Eidesnorm auch noch lautete, „gegen alles, was auf der Erde, in der Luft oder im Wasser ist“.

Die Pflicht der Freischöffen bestand u. a. in der Erhebung der Anklage und der Ladung der Verfemten. Die Ladung wurde z. B. mit einem Dolche an dem Burgtor des Ange­klagten befestigt und dem Turmwächter zugerufen, es sei ein Brief im Namen des Kaisers angeheftet. Die Zustellung der Ladung galt als erfolgt, wenn der Freischöffe drei aus dem Burgtore des Angeklagten geschnittene Holzsplitter vorlegte. Die Ladung Nichtwissender mußte bei „rechter Tageszeit und Sonnenschein“ mit einer Frist von 6 Wochen und drei Tagen erfolgen. Erschien der Geladene nicht vor dem Freistuhl, so wurde im Namen des Kaisers die Acht über ihn ausgesprochen. Für diesen Fall wurde in geheimer Sitzung über ihn gerichtet; jeder Freischöffe hatte die Pflicht, ihn zu töten, was sicher, wenn auch oft heimlich und auf rätselhafte Weise, geschah.

Während der Regierung Kaiser Karls V. hatte die Feme den Höhepunkt ihrer Macht erreicht. In allen deutschen Städten und fürstlichen Räten waren „Wissende“ vorhan­den, ja selbst Fürsten ließen sich in den „Freischöffen­bund“ aufnehmen. Die mächtigsten deutschen Fürsten fürchteten die Macht der Ferne und beugten sich ihrem Urteilsspruch. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde diese Macht jedoch oft mißbraucht, indem sie „Wissende“ zur Befriedigung ihrer persönlichen Rache benutzten.

Durch Verkündung des „ewigen Landfriedens“, durch Verbesserung des landesherrlichen Gerichtswesens, end­lich aber durch die Einsetzung des Reichskammergerichts zu Frankfurt a. M. fanden die Femegerichte nach und nach ihr Ende.

Die Behauptung einiger Chronisten, die Femegerichte seien durchweg nur auf carolinische Gerichtsverfassung gegründet und seien von Kaiser Karl dem V. eingeführt worden, beruht nach neuen geschichtlichen Werken auf Irrtum.

Die im Jahre 1532 erlassene „Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V.“, Constitutio Criminalis Carolina, war das erste gemeinsame Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Vor ihr galten die einzelnen Volksgesetze, die dem Verletzten die Befugnis gaben, Selbstrache, Fehde zu üben oder Sühnegeld zu fordern.

Buttstädt in grauer Vorzeit bis auf unsere Tage
(Aus Kronfeld‘s und Küntzel‘s Chronik)
Soviel Gelehrsamkeit für die Geschichte deutscher Städte und Burgen aufgewendet sein mag, betrübend ist doch die Tatsache, daß sich deutscher Forscherdrang in unserer jetzigen Zeit viel intensiver mit der Archäologie des Mittelmeerkreises als der eigenen Heimat befaßt.

Wenn irgend etwas geeignet ist, auf die Liebe zum Hei­matlande und zu unseren Stammesgenossen belebend ein­zuwirken, so ist es das Studium derer Geschichte. Die Erinnerung an das Leben unserer Vorfahren, an das unab­lässige Ringen derselben nach größerer Kultur, das Verge­genwärtigen aller Gefahren und Hindernisse, welche jene in treuem Zusammenwirken mit ihren Führern von ihrem ersten geschichtlichen Auftreten an bis auf die Neuzeit zur Erreichung jenes Zieles glücklich bestanden haben, die genaue Kenntnis davon, wie sich unsere Verhältnisse nur ganz allmählich und nur stufenweise zu ihrer jetzigen Gestaltung entwickelten und entwickeln konnten, das alles zusammen lehrt uns erst die Gegenwart richtig verstehen und vertrauensvoll in die Zukunft zu schauen.

Weder Größe noch Lage des Landes, weder Zahl der Bewohner noch Reichtum derselben, und ebensowenig das hohe Alter eines Volkes sichern ihm einen ehrenvollen Namen für zukünftige Zeiten, sondern nur der Anteil an dem allgemeinen Streben nach geistiger Ausbildung. Wenn dem deutschen Volke die zähe Ausdauer beim Ringen um jene Güter zuerkannt werden muß, wenn selbst unsere Feinde den hohen Kulturstand nicht in Abrede stellen, wir Thüringer stehen mit an erster Stelle.

Thüringer Chronisten beginnen ihre Aufzeichnungen erst im 13. Jahrhundert, und somit beruht alles, was wir aus den Uranfängen unseres Volkes wissen auf Mitteilungen römischer Schriftsteller.

Auf den Urzustand Thüringens paßte genau die Schilde­rung, welche Tacitus, der bekannte römische Geschichts­schreiber (2. Hälfte des 1. Jahrhunderts) von dem großen Lande „Germanien“ überhaupt gegeben hat. Als wild­wachsende Produkte nennt derselbe nur Eicheln, Buch-nüsse, wildes Obst, Wurzeln und Kräuter, als Kulturpflan­zen das Getreide, und davon nur Hafer und Gerste. An Haustieren werden Rinder, Pferde, Schafe und Schweine genannt. Diese Tiere wuchsen jedoch selten zu einer ansehnlichen Größe auf. Der größte Teil des Landes war mit Wald bedeckt als Aufenthalt von Auerochsen, Elen­und Renntieren, welche bei der Lichtung der Wälder und der Milderung des Klimas sich mehr nach Norden zurück-zogen. An Wildbret war kein Mangel, auch nicht an Bären, Luchsen und Wölfen.

Die Bewohner eines solchen Landes konnten nichts ande­res als echte Naturmenschen sein, stark und abgehärtet und vor keiner Gefahr zurückschreckend, noch auf der nied­rigsten Kulturstufe stehend und daher auch noch nicht so weit vorgeschritten, daß sie sich bis zu dem Glauben an ein „einziges höchstes Wesen“ hätten emporschwingen können; vielmehr waren Sonne, Mond, Feuer und Erde als große Wohltäter der Menschen die Gegenstände ihrer Verehrung.

Auch unsere Gegend wird damals von diesen Naturmen­schen besiedelt gewesen sein. Die wiederholte Auffindung von Höckergräbem in der Mehnert‘schen Tongrube und das häufige Vorkommen von Steinwaffen bis in unsere Zeit - zuletzt Auffindung eines Steinhammers im Gasthof Bären und eines Faustkeils beim Schmiedemeister Ewald hier - lassen darauf schließen, daß die Stelle, wo jetzt Buttstädt steht, eine steinzeitliche Siedlung gewesen ist. Auch der Landesgeologe, Professor Dr. Johannes Behr in Berlin, teilt diese Ansicht.

Alle in Buttstädt und der nächsten Umgebung gefundenen Steinwaffen gehören der mittleren Steinzeit an und haben nach Ansicht von Paläontologen ein Alter von etwa 5000 Jahren v. Chr. Geburt. Mithin dürfte unsere Gegend 5000 Jahre vor unserer Zeitrechnung mit Homo Saphiens schon besiedelt gewesen sein.

Weil bei Ausschachtungsarbeiten hier römische Münzen gefunden worden sind, kann man annehmen, daß sich hier auch eine römische Niederlassung befunden hat. Vom früheren Mühlenbesitzer Fuchs als auch vom Pflastermei­ster Tischler hier wurden an der Fuchs‘schen Windmühle wiederholt Münzen aus spätrömischer Zeit gefunden.

Buttstädt ist ein sehr alter Ort, dessen Entstehung von einigen Chronisten den Sorben-Wenden zugeschrieben wird. Man beruft sich dabei auf die Tatsache, daß zwei Vorstädte die Namen Ober- und Niederwenden (heute noch Ober- und Niederwendenstraße) führten. Beide Vorstädte, auch die Ober- und Niederwendenstraße, lagen aber außer­halb der Stadtmauer. Kronfeld ist deshalb der Ansicht, daß die eigentliche Stadt damals schon vorhanden gewesen sein muß. Der Beweis dafür läßt sich heute noch erbringen. Die alte Stadtmauer mit einem tiefen Wassergraben, dem heutigen Sackbache, lief von dem noch vorhandenen Brücktor bis zur Fuchsgasse. Die „Niederwendenstraße“ liegt weit außerhalb der früheren Stadtmauer.

Die Hintergebäude in meinem Hofe sind direkt auf dem Grunde der alten Stadtmauer aufgebaut. Der Hof, das Wohnhaus, überhaupt alle Wohnhäuser der „Oberwenden­straße“ liegen auch hier außerhalb der ehemaligen Stadt­mauer.

Nach anderer Meinung soll Markgraf Eckart um das Jahr 998 „Buttstädt als Stadt“ gegründet haben. Die Chronisten schreiben weiter, daß der Name der Stadt gleichbedeutend mit Budenstadt gewesen sei, weil man bei der Abhaltung großer Märkte zahlreiche Buden errichtet habe, woraus der Name hergeleitet worden sei. Allein in den ältesten vorhandenen Akten, die Buttstädt betreffen, heißt unser Ort „Buthstete“.

1195 tritt Kaiser Heinrich IV. mehrere Besitzungen an das Kloster zu Pforta ab und bekommt dafür einige Kloster-einkünfte, unter anderen die zu Buthstete. 1199 schenkte Hedwig von Vargula, Witwe Cunimunds, unter Bestäti­gung des Landgrafen Hermann von Thüringen, dem Klo-

ster Ichtershausen mehrere Güter, darunter 1 Hufe in Buthstete majori. (Urkunde im gothaischen Staatsarchiv) Auch die adelige Familie, welche sich nach der Stadt nannte, schreibt niemals Budestedt. 1209 erscheint als Zeuge in einer Urkunde Rudolf von Buttestedte; 1261 Bertoldus de Butstete. Beweis: Urkunden des Geh. Haupt-und Staatsarchivs in Weimar.

In einer Eingabe des Rates in Buttstädt an den damals noch gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich den Großmütigen von 1551, die Viehmärkte betreffend, gibt derselbe eine Erklärung des Namens, die man sonst nirgends findet. Er sagt, die Stadt habe den Namen von den Viehmärkten entlehnt, wie die Gelehrten schreiben und der Stadt den Namen geben, und nennen sie Bos (Ochse) stadium (Renn­bahn).

Beweis: Akten des Geh. Haupt- und Staatsarchivs in Weimar, Sächs. Ämter und Städte betr.

Obige Ableitung ist, wie auch Kronfeld sagt, sehr gewagt, wenn auch die Viehmärkte seit urdenklichen Zeiten be­standen haben. In dem Schreiben von 1551 handelt es sich namentlich um den Verkauf von Ochsen. Zu manchem Markte wurden 16 000 bis 20 000 Stück angetrieben. Für jeden Ochsen mußte eine Abgabe von 2 Pfennigen ent­richtet werden. Die meisten angetriebenen Ochsen kamen in freien Herden aus Ungarn und Polen. Die Transporte mußten vorher angesagt werden und dann bildeten Land­leute, mit Knüppeln bewaffnet, zum Schutze ihrer Felder Spalier.

Durch den Dreißigjährigen Krieg hörten die Ochsentrans­porte aus fernern Ländern auf, dafür entstanden die Roßmärkte.

Um bei dem großen Menschenzufluß auf den Märkten Ordnung und Sicherheit aufrechtzuhalten und dem sich mit einfindenden Diebes- und Raubgesindel zu wehren, bekam Buttstädt schon im Jahre 1408 vollständige Ge­richtsbarkeit und das Vogteirecht.

Die Stadt hat oftmals Blutgericht gehalten und einmal die Todesstrafe dem Verbrechen auf dem Fuße nachfolgen lassen.

1470 am 12. März erstach beim Zechen im hiesigen Ratskeller ohne Ursache Claus Antonius von hier den auf seinem Stuhle sitzenden eingeschlafenen Hans Kerchner, so daß dieser sofort seinen Geist aufgab. Nach dreimaliger Sitzung des städtischen Rates, der die Gerichtsbarkeit besaß, wurde der Mörder Antonius noch am selben Abend bei Strohfackelschein durch den Bruder des Ermordeten als Schwertmage der Familie hingerichtet.

Der Herzog von Weimar, der sich über die rasche Justiz der Buttstädter sehr verwunderte, ließ sich auf dem Schlos­se in Roßla Bericht erstatten und sprach zu den erschiene­nen Buttstädter Ratsherren die Worte:

Ihr Herren von Budtstadt, ziehet hin mit Eurem Berichte, Gott behüte mich vor Eurem Gerichte!“ (Künzels Chro­nik).

Von den in den Jahren 1529 bis 1558 aufgeführten, die Stadt umschließenden Befestigungstürmen, Toren und Mauern haben sich nur noch wenige Überreste erhalten. Ein Umstand gereicht der Stadt zur großen Ehre: Sie hielt von jeher auf gute Schulen. Schon bei der Kirchen- und Schulvisitation im Jahre 1578 wird der Zustand der Butt­städter Schule sehr gerühmt und noch besonders hervor­gehoben, daß die Stadt auch eine „deutsche meidleins­schule“ habe, welcher der Stadtvogt Thymotheus Stein­metz ein Haus schenkte. Beweis: die Visitationsakten Gern. Ernest. Archivs in Weimar.

1650, also nach kaum beendetem langem Kriege, der die Stadt, wie wir weiter unten hören werden, furchtbar mit­genommen hat, zählte die Knabenschule 90 Schüler, die Schule war in drei Klassen geteilt, und in den beiden oberen Klassen lehrte man die lateinische und griechische Spra­che. Der Charakter einer Vorbereitungsanstalt für das Gymnasium blieb besonders in dem Zeitraume von 1702 bis 1800 stark ausgeprägt. Es glänzten in dieser Periode an der Buttstädter Schule als Rektoren Männer von gründ­licher Gelehrsamkeit, darunter Illge. Auch der weimarische Minister Dr. Markus Gerstenberger, dessen in der Ge­schichte Herzogs Friedrich Wilhelm 1. von Weimar gedacht wird, war ein Buttstädter.

Die schöne Kirche (die zweite oder Gottesackerkirche zu St. Johannis, am alten Friedhof, brannte 1684 ab und wurde nicht wieder aufgebaut) ist eine Zierde der Stadt. 1510 wurde die ehemals an der alten Stelle stehende Kirche wieder hergestellt und am 2. Pfingstfeiertage ein­geweiht. 1551 bis 1552 wurde sodann die Kirche umge­baut, jedoch blieb der Chor, der 1551 gebaut worden war, stehen.

1583 wurde der Glockenturm achteckig und höher, als er bisher gewesen, zu bauen angefangen und zu einem Haus­mannsturme (für den Stadtpfeifer) eingerichtet. Der Turm hat heute noch in bedeutender Höhe einen Rundgang, von dem man eine weite Aussicht genießt.

Butttädt hat sehr viele Unglücksfälle durchmachen müs­sen. Am 29. September 1551 fiel während des Viehmarktes ein so gewaltiger Schnee, so daß in der Nacht viele Ochsentreiber erfroren. 1634 starben 330 Personen an der Pest. 1640 berichtet der Rat der Stadt Weimar, daß 2/5 der Flur zur Wüste geworden seien; es gebe nur noch 182 bewohnte Häuser, „worunter gar viele geringe kleine arme Bettelhäuslein“, 66 Häuser seien ganz verwüstet.

In einem anderen Berichte von 1642 sagt der Rat in Buttstädt, daß von den Bürgern wöchentlich an 50 und mehr Personen mit Schubkarren nach Halle und Umge­bung führen, um sich dort ihren Unterhalt zu verdienen. Weiter wurde berichtet, die Tranksteuer sei sehr herunter­gekommen, man braue nur noch armseligen „Kleien­Kofent“.

Besonders hart wurde die Stadt von Brandunglücken heimgesucht. 1690 brannten über 80 Wohnhäuser nieder, 1633 wieder 55. Das schlimmste Brandunglück war das vom 18. Juli 1684. Am Nachmittag war in der Buttstädter Flur ein Hagelwetter niedergegangen. Die meisten Ein­wohner befanden sich auf dem Felde, um nach dem Hagelschaden zu sehen, als plötzlich in der Stadt Feuer aufging. Binnen 11/2 Stunden war die Stadt ein Feuermeer. 180 Wohnhäuser, beide Kirchen, Pfarrei, Schule, altes und neues Rathaus wurden eingeäschert und nur 64 Häuser blieben stehen. Eine Dienstmagd hatte aus Rache gegen ihren Herm das Feuer angelegt. Sie gestand ihr Verbrechen ein und wurde in Emsen lebendig verbrannt.

Im Jahre 1683 wurde die Stadt wieder von der Pest heftig heimgesucht. Der Herzog verlieh ihr deshalb, „um ihr wieder etwas aufzuhelfen“, 1685 den 4. Jahrmarkt. (Geh. Haupt- und Staatsarchiv in Weimar, Akten B. 5873.)

Nach der Schlacht bei Leipzig 1813 nahmen die Franzosen zum großen Teile ihren Rückzug über Buttstädt auf der uralten Heerstraße Naumburg, Eckartsberga, Erfurt usw. Am 21. Oktober 1813 trafen die ersten franz. Truppen hier ein, und die Stadt hatte mehrere Tage harte Belästigungen auszustehen.

(Geh. Haupt- und Staatsarchiv in Weimar. Akten: Die Vorgänge in Buttstädt seit dem 22. Oktober 1813 bei den Truppendurchmärschen. Das Aktenstück enthält nach Mit­teilungen Kronfeld‘s für die Spezialgeschichte Buttstädts recht interessante Schilderungen.) Am 4. März 1826 brann­ten wieder 85 und am 17. März 1827 abermals 41 Wohn­häuser nieder.

Die Umgebung von Buttstädt hat während des Bruderkriegs viel gelitten. Aus dieser Zeit stammen die Wüstun­gen Stiebsdorf, Hohendorf, Schafendorf und Emsen. Ein Teil von Wenigenbuttstädt, ehemals ein blühendes Pfarr­dorf, mit dem Filial Niederreißen, wurde 1641 von kaiser­lichen Soldaten zerstört. Die Einwohner des Dorfes, auch aus den noch stehenden Häusern, verzogen nach Buttstädt. Aus Furcht vor den verwahrlosten kaiserlichen Soldaten weigerten sich die Wenigenbuttstädter, in ihre Heimat zurückzukehren und ließen Haus und Hof verfallen. Auch die Kirche in Wenigenbuttstädt stand noch, war aber sehr baufällig. Aus den Trümmern der Kirche soll Herzog Ernst August ein kleines Jagdhaus bei Großbrembach erbaut haben. Von den Kirchenglocken in Wenigenbuttstädt wur­de die größere dem Geläute in Buttstädt einverleibt. Die beiden kleineren Glocken wurden gestohlen. Eine davon kam nach Allerstedt bei Wiehe, wo sie noch heute in Gebrauch sein soll.

Die Personalchronik hat folgende in Buttstädt geborene Männer aufzuführen, welche Lehrer an der Universität in Jena wurden:
1. Dr. Johann Gottfried Müller, ordentlicher Professor der Geschichte, starb 1792 in Jena,
2. Dr. Lorenz Julius von Gerstenbergk, Professor der Phi­losophie in Jena, starb in Jena 1801,
3. Dr. Heinrich Gräfe, Pädagoge, Professor in Jena, starb 1870,
4. Dr. Gustav Eduard Fischer, war Professor der Philoso­phie in Jena, starb 1870,
5. Dr. Friedrich Wilhelm Theile war 1831 Professor der Medizin in Jena.

Auch die neuere Zeit hat eine ganze Anzahl Männer zu verzeichnen, die in Buttstädt das Licht der Welt erblickten und Gelehrte wurden, nämlich:

Medizinalrat Dr. med. Cuno Kiel, Pfarrer Erich Kiel in Neuroda, Dr. chem. Karl Schimmel, Professor Dr. Johan­nes Behr in Berlin, Rechtsanwalt Justizrat Dr. Sommer in Weimar, Bergrat Kuno Reimann in Halle a./S., Rechtsan­walt Seyfarth in Weimar, Oberregierungsrat Dr. Otto Mül­ler in Weimar, Studienrat Dr. Franz Heinrich in Weimar, Landgerichtsrat Waldemar Ackermann in Weimar, Profes­sor Dr. Karl Bußlepp in Weimar, Gerichtsassessor Dr. R. Goldhagen in Arnstadt, Professor Dr. med. G. Lothholz in Stargard i./P., prakt. Arzt Dr. med. K. Lothholz in Eilen­burg, Oberarzt Dr. med. E. Undeutsch in Beuthen i./Ober­schlesien, Dr. phil. Martin Strumpf in Weimar, Landge­richtsdirektor Dr. R. Linsenbarth, Landgerichtsrat Dr. W. Linsenbarth und Pfarrer W. Trautermann, Kriegsfreiwilli­ger, Leutnant und Kompanieführer, fiel 1916 in Rumänien. Namen von Männern, auf die Buttstädt weiter besonders stolz sein kann, kündet das neu errichtete Kriegerdenkmal. Eine große Anzahl Buttstädter fanden im Weltkriege 19 14/18 den Heldentod. Sie werden uns und der Nachwelt unvergessen bleiben.

Der schwarze Tod in Buttstädt
Die Pest oder den schwarzen Tod nannte man im Altertum bis zum Mittelalter jede bösartige, ansteckende, akute Krankheit. Die Krankheitssymptome zeigten im Anfangs­stadium Ähnlichkeit mit Typhus und Milzbrand. Schwarze, eigroße Beulen bedeckten dann schnell den Körper; oft in zwei bis drei Tagen oder in wenigen Stunden trat der Tod ein. Tausende von Geschlechtern wurden von der schreck­lichen Seuche dahingerafft, ganze Städte und Dörfer ver­ödeten.

Die Pest war bereits vor der christlichen Zeitrechnung bekannt, namentlich in Ägypten. Im 6. Jahrhundert ver­breitete sie sich über ganz Europa. (Justinianische Pest.) Im Laufe des Mittelalters waren Pestepidemien häufig. Auch heute gibt es in Indien noch Gegenden, in denen die Seuche ständig auftritt. Die letzte Pestepidemie war in Deutschland im Weichsel- und Odergebiet in den Jahren 1708/09.

Vor Ausbruch der Seuche beobachtete man früher ein massenhaftes Sterben der Ratten. Die furchtbare Krankheit heftete sich in alter Zeit hartnäckig an die Wohnungen der Menschen und ging langsam von Haus zu Haus. Offen­bar ist die Pest eine Krankheit des Schmutzes und des Elends.

In Buttstädt brach die Pest zum ersten Male im Jahre 1350 aus. Etwas Näheres darüber ist in den alten Chroniken nicht zu finden.

Sowohl der Volkswahn als auch der Klerus sahen die Seuche als göttliches Strafgericht an, das die Flagellanten (Geißler) durch strenge Bußübungen abzuwenden suchten. Die Seuche führte zu maßloser Verwilderung der Sitten und zu grausamer Verfolgung der unschuldigen Juden, denen man die Schuld gab, die Brunnen vergiftet zu haben. 1597/98 brach hier die Pest wieder aus.

Im Jahre 1633 kehrte die Pest in Buttstädt zum dritten Male ein und raffte 329 Personen hinweg. Die Stadt zählte damals nicht ganz 1500 Einwohner und wurde durch den Dreißigjährigen Krieg noch weiter entvölkert.

1684 brach die Pest in Buttstädt nochmals aus. Als erstes Opfer erlag ihr der Stadtvogt Fischer, der sie von einer Reise eingeschleppt hatte. In der Apotheke am Kornmarkt (jetzt Korb) starb das ganze Hauspersonal von 9 Personen in wenigen Tagen.

Aus jener Zeit soll auch der Peststein stammen, der noch heute rechts an der Mannstedter Straße steht. In die Aushöhlung des Steins legten die Landleute, wenn sie Einkäufe in Buttstädt machen wollten, Bestellzettel und Geld, weil die Stadt völlig abgesperrt war.

Die Femhaltung Pestverdächtiger aus der Nähe des Wei­marischen Schlosses erwies sich in der Folge der Tage als nutzlos, denn genau 50 Jahre später schritt der schwarze Tod dennoch durch das Portal der Wilhelmsburg und streckte den prinzlichen Thronfolger, Thronerben aus er­ster Ehe des Herzogs Ernst August, im jugendlichen Alter von 14 Jahren auf das Totenbett.

1681 trat die Seuche in Rastenberg, Guthmannshausen und Großbrembach auf. 1683 schleppte ein Knabe aus Groß­brembach die Pest nach Apolda. Nachdem seine beiden Eltern an der Pest verstorben waren, ging er zu seinem Onkel, einem Kantor in Apolda, und starb beim Hospital in einer Hütte. Darauf wurde der Kantor nebst seinen Angehörigen eingesperrt und eine Schildwache vor die Tür gestellt. Alle gingen an der Pest zugrunde, aber man erreichte, daß die Seuche nicht weiter verbreitet wurde. Die Pest naht nicht wie der stille Engel, der zum sanften Hinüberschlummern in den Frieden der Ewigkeit begna­det, sondern wie das schleichende Raubtier, das kein Erbarmen kennt und am warmpulsierenden Menschenle­ben schon alle Schrecken der Fäulnis und der Verwesung auf grauenerregende Art zur Erscheinung bringt.

Wenn sonst um das Ableben einer guten Seele die ganze Stadt mittrauert und ihre Anteilnahme bekundet, jetzt ist niemand bereit, dem Toten den letzten Dienst zu erweisen; alle Bande des Blutes und der Liebe sind gelöst, denn zu dem Jammer um den Verlust des teuren Angehörigen gesellten sich die Furcht und das Entsetzen vor dem gräßlich entstellten Leichnam, der von der Ähnlichkeit mit dem Ebenbilde des Schöpfers kaum noch Spuren aufweist.

Mietlinge, die sich für schweres Geld noch dem gefahrvollem Amte der Totenbestattung hingeben, schnüren den Entseelten in sein Bettuch und schaffen ihn unter dem Schutze der Dunkelheit auf einem Karren an die Grube, wo er mit einer Anzahl anderer Pestleichen im Massengrabe seine letzte Ruhestatt findet.

Die beim Legen der Wasserleitungsrohre am Marktplatz seinerzeit angeschnittenen Massengrüfte legen Zeugnis ab von der primitiven und fahrlässigen Art, mit der man die Verstorbenen in der Pestzeit verscharrte.

Aber nicht nur die Toten, sondern auch die Überlebenden sind gemieden - wie die Pest; die Stadttore bleiben geschlossen, Handel und Wandel stehen still, selbst der Fürst wendet sich von seinen Landeskindem ab, denn zur Erbhuldigung des Herzogs Wilhelm Ernst um Weihnachten 1684 wird Buttstädt mit einer Einladung übergangen. Auch die fürstlichen Regierungsorgane verkehren mit der Ge­meinde nicht mehr direkt, sondern durch Vermittlung des Vogts in Großbrembach.

Monatelang ist die Stadt von der Außenwelt getrennt, in ihrer Abgeschlossenheit ein einziger großer Friedhof, in dessen Mauern unheimliche Stille und wehende Trauer­flore die Stimmung der schwergeprüften Bewohner zum Ausdruck bringen.

Gegen den Anfang des Frühjahrs 1685, nachdem 375 Personen der Seuche zum Opfer gefallen sind, läßt endlich das große Sterben nach und nach Beendigung der Pestzeit feiert man im März aus tiefstem Herzensgrunde ein kirch­liches Dankfest; aber nachdem die Sperre schon aufge­hoben und den Einwohnern wieder der Verkehr nach außerhalb gestattet ist, lebt Serenissimus vor seinen ge­treuen Buttstädtern noch immer im Banne der Furcht; es ergeht ein fürchterliches Dekret des Inhalts, daß unsere Bürger in der Residenz wieder freien Umgang haben sollen, aber es wird ihnen bei Leibes- und Lebensstrafe untersagt, sich in der Nähe des Schlosses blicken zu lassen. Erst am 4. Juni wird die Sperrmaßregel gänzlich beseitigt. Infolge der großen Sterblichkeit wurde durch die Pest ein schneller Wechsel in den Familienverhältnissen herbeige­führt; ebenso schaffte die häufige Veränderung des Besit­zes durch Todesfall schwierige Verhältnisse in der Über­eignung des Nachlasses, denen der schleppende Gang der Gerichtsbarkeit nicht gewachsen war. Manch armer Tropf wurde über Nacht zum wohlhabenden Eigentümer, um vielleicht schon in der folgenden Nacht seine Habe am Rande des Grabes lachenden Erben zurückzulassen.

Inmitten der großen Ernte für den Friedhof gab es auch solche, die sich über das Grauenvolle der Situation mit Humor hinwegsetzten. Wie Grüning in seiner Chronik erzählt, überlebte ein Mann seine 20 Frauen und eine Frau ihre 19 Männer. Diese beiden heirateten einander und stritten eine gute Weile, wer den anderen überleben werde; endlich siegt der Mann und geht mit klingendem Spiel, hocherhobenen Hauptes hinter dem Sarge seiner Frau her. Hufschmied Biel in Buttstädt heiratete in einem halben Jahre viermal. 1626 überlebte in Erfurt ein Mann binnen Jahresfrist seine 7 Frauen.

Gegen die Pest wendete man alle möglichen Mittel und Quacksalbereien an. Die Ärzte hatten in dem großen Knopf ihres Stockes wohlriechende Kräuter, die sie mit der Nase in Berührung brachten, um sich vor Ansteckung zu schüt­zen, oder erschienen am Krankenbett in einem ledernen Gewande, wie ein Taucher. Auch nahm man als Schutz­mittel Knoblauch und Zitronenschale in den Mund und band sich ein mit Essig getränktes Tuch vor das Gesicht, um den Krankheitsstoff vor der Einführung in den Körper zu vernichten. Den Pestkranken band man Hühner oder Tauben auf den Leib, die das Gift herausziehen sollten, oder machte Umschläge mit in Branntwein getauchtem Brot.

Die besten Schutzmittel, Licht, Luft, Reinlichkeit und peinliche Abschließung der Gesunden von den Kranken ließ man hingegen außer Acht, und so erblickte man in verseuchten Orten fast an jedem Hause die schwarze Tafel, die das Betreten des von der Pest heimgesuchten Grund­stücks untersagte.

Im Jahre 1794 wurden Ende Januar 650 französische Kriegsgefangene in Buttstädt auf dem Transport nach Magdeburg 3 Tage lang im Rathaus, im Zollhaus und in den Scheunen vor dem Brücktor einquartiert. Die Hälfte soll eine der Pest ähnliche Krankheit gehabt haben, woran 33 Soldaten starben und teils auf dem Kirschberge, teils am langen Steine begraben wurden. Infolge der Anstec­kung erkrankten 70 Buttstädter Einwohner in einer Woche und starben 30. Es wurde deshalb an der sächsischen Grenze ein Kordon Husaren als sogenannte Kontumazwa­che aufgestellt. Aus Furcht vor der Seuche war der Fast­nachtsmarkt von keinem einzigen Fremden besucht.

Erst mit der zunehmenden Erkenntnis der rechten Vorbeu­gungsmittel ist die Pest in den europäischen Kulturstaaten nicht wiedergekehrt und fühlt sich nur heute noch in solchen Ländern heimisch, in denen Schmutz, Unwissen­heit und Fatalismus als nationale Eigenschaften des Volkes in enger Verbrüderung nebeneinander fortbestehen.

Hatte Buttstädt ein Kloster?
In Künzels Geschichte von Thüringen, neuere Chronik XV, ist u. a. folgendes zu lesen:

Anno 1517 ging das Nonnenkloster in Buttstädt in Pri­vatbesitz über.“

Laut einer Urkunde im gothaischen Staatsarchiv tritt im Jahre 1195 Kaiser Heinrich IV. mehrere Besitzungen an das Kloster in Pforta ab und bekommt dafür einige Klostereinkünfte, unter anderem „die zu Buthstete“. (Vergleiche meinen Artikel: „Buttstädt in grauer Vorzeit bis auf unsere Tage“). Ähnliche Nachrichten findet man ab und zu in den Akten des Geh. Haupt- und Staatsarchivs in Weimar.

Soweit wir im Dunkel der Jahrhunderte den Spuren unserer Väter nachzugehen imstande sind, läßt sich mithin der Beweis dafür erbringen, daß auf Buttstädter Grund und Boden ein Kloster existiert hat. Gab es doch auch Klöster in anderen Orten unserer Gegend, z. B. in Ettersburg, Sulza, Rastenberg, Memleben, Erfurt, Naumburg und Beichlingen.

Die Klöster haben in jener Zeit viel Gutes gewirkt; die Mönche übten die Krankenpflege aus, verbreiteten die christliche Lehre, machten das Land urbar, schrieben gute Bücher ab, unterrichteten in Ermangelung von Schulen die Knaben und Jünglinge. Üppigkeit und Wohlleben kamen erst später auf und dadurch wurden die Mönche auch träge. Wo sich das Kloster in Buttstädt befunden hat, habe ich nicht ermitteln können. Eine diesbezügliche Anfrage an zuständiger Stelle wurde abgelehnt, ob mit Recht oder Unrecht - darüber läßt sich streiten. Durch die große Anzahl unterirdischer Gänge in Buttstädt läßt sich das ehemalige Kloster nicht feststellen. Ein Kloster ist be­kanntlich kein Fuchsbau, zu dem man durch eine Anzahl nach verschiedenen Seiten ausmündender unterirdischer Kanäle Zutritt nimmt; Klöster haben vielmehr ihre Ein­gangspforte, wie jedes andere Haus. Es müßte also ange­nommen werden, diese Gänge hätten als Verbindungswege für geheime Zusammenkünfte gedient, und zwar, um die Insassen eines Nonnen- und eines Mönchsklosters mitein­ander in Berührung zu bringen, die dann im zärtlichen Tête-à-Tête das Evangelium der Liebe und des Erbarmens im weltlichen Sinne betätigten.

Ob man mit solcher allgemein verbreiteten Ansicht den Klöstern, die als Pflanz- und Pflegestätten der Kultur, als Wiege mancher hervorragender Erfindung und Entdec­kung auf eine ungleich ehrenvollere Nachrede im Volke Anspruch erheben dürften, nicht zu nahe tritt, mag dahin­gestellt bleiben. Angenommen, die Gänge hätten solchen Zwecken gedient, so hat man auf die Aus- und Einmündung eines jeden Ganges je ein Kloster zu rechnen, macht auf 6 in Buttstädt vorhandene Gänge drei Klöster. Dabei ist mit der Möglichkeit gerechnet, daß die aufgefundenen Gänge miteinander in regelrechter Verbindung stehen, was noch nicht erwiesen ist.

Wollte man weitergreifen und für jeden entdeckten Gang noch eine unentdeckte Ausmündung in Betracht ziehen, so haben wir als Resultat 12 Klöster, eine stattliche Zahl, um die uns selbst das heilige Köln beneiden würde. Ohne Auskunft der zuständigen Kirchenbehörde kann deshalb über die Frage, wo das Kloster in Butttädt gestanden hat, niemals Klarheit geschaffen werden.

Ein mit der Ortsgeschichte Buttstädts aufs innnigste ver­trauter Herr hat, wie er mir mitteilte, über die Klosterfrage hier eine Arbeit zusammengestellt, die demnächst veröf­fentlicht werden dürfte. Es ist zu hoffen, daß durch diese Arbeit die Klosterfrage geklärt wird.

Wo hat Friedrich der Große im Siebenjährigen Kriege in Buttstädt im Quartier gelegen?
In einem Artikel: „Von Buttstädt‘s vergangenen Tagen“, habe ich die Frage aufgeworfen, in welchem Haus Fried­rich der Große in Buttstädt im Siebenjährigen Kriege gewohnt hat. Künzels Thüringer Geschichte, neuere Chro­nik XXVII, gibt darüber folgende Auskunft: „1782 wurde in Buttstädt der Turmknopf neu aufgesetzt. Darin fand sich die Nachricht, daß 1771 der weim. Scheffel Weizen drei Taler, das Korn 4 bis 5 Taler, Gerste 3 Taler 20 Groschen und Hafer 2 Taler gekostet habe. Desgleichen fand sich auch eine Nachricht darüber, daß im Siebenjährigen Kriege, jedenfalls war es vor der Schlacht bei Roßbach, König Friedrich der Große von Preußen im Schall‘­schen Hause in der Oberstadt hier gewohnt hat.“ Friedrich der Große war damals bereits gichtkrank und konnte an einem Feldlager nicht mehr teilnehmen. Vom 3. bis 11. Oktober 1757 war der große Preußenkönig im Schall‘schen Hause in der Oberstadt in Buttstädt einquar­tiert.

Wo das Schall‘sche Haus in Buttstädt gestanden hat, hat sich bis heute mit Sicherheit nicht feststellen lassen.

Wie schreibt man Ortsgeschichte?
Bevor man an ein Archiv herantritt, müssen einige Vorbe­dingungen erfüllt werden, indem man sich mit der Ge­schichte des betreffenden Landes und seiner sämtlichen Fürsten aufs innigste vertraut macht. Sodann befolge man den schon oft erteilten Rat, der leider immer wiederholt werden muß: Gehe planmäßig von der Gegenwart aus nach der Vergangenheit; beginne nicht mit einem beliebigen Jahrhundert.

Wer mit Überlegung nach rückwärts arbeitet, lernt dabei zugleich, sich in die Schrift des 16. und 15. Jahrhunderts mit ihren Kürzungen, schließlich auch in die älteren Urkunden einzulesen. Schwierigkeiten bilden dann aller­dings gotische Schrift und altdeutsche Mundart, sowie das sog. Mönchslatein des Mittelalters, in welchem gewöhn­lich Urkunden auf Pergament niedergeschrieben sind. Zur Beseitigung aller dieser Schwierigkeiten gibt es aber vor­treffliche Hilfsmittel, nämlich Werke, die bei Degener & Co. in Leipzig erschienen sind. Auch demjenigen, welcher die lateinische Sprache nur wenig beherrscht, wird die Übersetzung mit Hilfe dieser Werke nicht allzuschwer, falls er Lust und Liebe zur Sache hat und intensiv arbeitet. Bedauerlicherweise begnügen sich viele, wenn sie Namen und Lebensdaten ihrer Vorfahren und Ahnen ermittelt haben. Dabei soll der rechte Forscher nicht stehenbleiben, worauf auch P. Thalmann immer wieder hinweist. Es ist einmal gesagt worden, die Kirchenbücher böten für Orts-und Familienforschung nur das Gerippe; ein Gerippe sei aber mit seinen nackten Knochen etwas Unschönes, man müsse es unbedingt mit Fleisch umkleiden und alles mit Blut und Leben erfüllen. Das Leben soll der Forscher durch seine Darstellung wecken, Fleisch und Blut für die Kno­chen findet er in den Archiven. Also, alle freie Zeit zur Forschung verwenden und mit Interesse zur Sache arbei­ten, dann wird der Erfolg auch nicht ausbleiben.

Unsere Vorfahren in der schwersten Not (1683/84)
Man schreibt das Jahr 1683. Die ungewöhnliche Sommertemperatur war nur der Anfang einer schweren Heimsu­chung, die Schlag auf Schlag über unsere unglückliche Vaterstadt hereinbrach und meines Wissens im Zusammenhange der Ereignisse mit ihrem ganzen Schwergewicht an Bedrängnis, an Jammer und Verzweiflung wohl noch niemals eine übersichtliche Darstellung gefunden hat.

Wenn auch Buttstädt die verheerende Wirkung des Drei­ßigjährigen Krieges schon überwunden hatte, wenn auch die Not der Zeit nicht jeden mit gleicher Härte traf, eine solche Reihe von Gefahren für Leben und Eigentum mußte auch den Mutigsten bis in die tiefsten Fugen seines Wesens erschüttern, und ich halte es wohl der Mühe wert, dem Geschlechte der Gegenwart diesen bedeutsamen Aus­schnitt aus der Leidensgeschichte seiner Väter einmal recht lebendig vor die Seele zu führen.

Ein überaus heißer Sommer, dessen afrikanische Glut während des Zeitraums von Ostern bis Michaelis nicht durch den geringsten Niederschlag unterbrochen wird, läßt die Früchte des Feldes buchstäblich verdorren.

Durch den Futtermangel ist das Vieh dementsprechend auch für die damaligen Preisverhältnisse sehr wohlfeil; ein Huhn kauft man für 6 Pfg., eine Gans für 18 Pfg., das Pfund Fleisch kostet nur 5-6 Pfg. Dagegen bringt die Tropentemperatur ein vorzügliches Weinjahr; das edle Getränk ist fast so billig, wie zu der wohlfeilen Zeit im Jahre 1506, wo sich Bier und Wein mit einem Pfennig pro Maß im Preise gleichstanden und man den Scheffel Rog­gen mit 18 Pfennig, die Gerste mit 1 Groschen und die Mandel Eier mit 1 Pfg. bezahlte.

Im übrigen schafft der Ausfall der Ernte aber einen allge­meinen, durch die nachfolgende Teuerung aller Lebensbe­dürfnisse, bedingten Notstand, der noch dadurch erhöht wird, daß auf den heißen Sommer ein ungewöhnlich strenger Winter folgt.

Die strenge Kälte währt mit geringen Schwankungen von November bis März und herrscht auf dem ganzen Kontinent, so daß man beispielsweise in London, wie Chronisten mitteilen, auf den Straßen große Holzstöße anzündet, damit diejenigen, welche kurze Ausgänge zu besorgen haben, unterwegs nicht zu Eis erstarren.

Die kleinen Tiere des Feldes fallen der Kälte zum Opfer, während die größeren in den Gehöften Schutz suchen und so machtlos sind, daß man sie mit der Hand ergreifen kann. Unter diesen Temperaturverhältnissen kommt das Jahr 1684 und endlich das Frühjahr, aber in der Natur mit der Stille eines Leichenzuges. Bäume und Sträucher sind bis auf den Grund gefroren, kein Singvogel läßt sich hören, kein anderer Vogel macht sich bemerkbar, glücklicherwei­se ist aber das Winterkorn unter der schützenden Schneedecke nicht zugrunde gegangen und wohl selten stand eine schönere Getreideernte in Aussicht als im Jahre 1684. Indessen nicht zum Genusse für unsere alte Marktstadt, der im Rate des Schicksals noch schwere Prüfungen vorbehalten sind, denn während diese Ereignisse in der Natur vor sich gehen, hat die Pest in ihren Mauern Einzug gehalten.

Die bereits seit dem frühen Mittelalter gefürchtete Volksseuche breitet ihr Leichentuch über unsere Gegend, ganze Geschlechter sterben aus. In Buttstädt geht „der schwarze Tod“ um, Haus für Haus. Von etwa 1400 bis 1500 Ein­wohnern Buttstädts fallen 375 Personen der Seuche zum Opfer. (Vergl. meinen Artikel, die Pest betr.)

Nach einer Periode banger Sorge und Bedrängnis atmet die Stadt erleichtert auf; wenn nun die Macht der Heim­suchung durch die Pest ziemlich beendet ist - vereinzelte Pestfälle kamen noch bis Frühjahr 1685 vor - hat sie dem mächtigen König der Ehren nicht umsonst ein Danklied gesungen, doch in wieviel Not auch der erbarmende Gott bisher gewaltet hat - der Kelch des Leidens ist erst zur Hälfte geleert.

So viel Trübes und Schweres bis dahin unsere Väter schon erduldet haben, Schwereres steht ihnen noch bevor. Auf den sibirischen Winter folgt wieder ein tropischer Sommer, dessen versengende Glut eine Wiederholung der Mißernte befürchten läßt. Von Tag zu Tag wartet man sehnsüchtig auf einen durchdringenden Regen. Da endlich, am 18. Juli, zieht sich in der Morgenfrühe finsteres Gewölk über der Stadt zusammen, aber seine Entladung bringt nicht den erhofften Niederschlag, sondern ein schweres Hagelwetter geht nieder und zerschmettert rings den Segen der blühen­den Fluren. Nach so viel Sorge und banger Erwartung ein neues unheilvolles Ereignis, das den bedrohlichen Not­stand wieder um ein kummervolles Jahr verlängert.

Nach Beendigung des Unwetters eilen die Betroffenen in größter Bestürzung hinaus, um den Umfang des Schadens zu ermessen, aber erschrocken flüchtet man wieder heim, denn in der Oberstadt lebt ein mächtiges Schadenfeuer auf. Mit rasender Eile greift das verheerende Element um sich; eine geschlossene Bekämpfung des Feuers ist um so weniger möglich, als die Brandfackel sprungweise von einem Stadtteil zum anderen ihren zerstörenden Weg nimmt und jeder zur Sicherung der eigenen Habe seiner Behausung zustrebt. Bald ist die Stadt ein einziges großes Feuermeer, aus dem anfangs noch als dunkles, von Rauch-schwaden umwobenes Steinmassiv die Kirche mit dem Turme emporragt; dann leckt auch an ihr die Flamme herauf, und, als mächtige Feuersäule zum Himmel flak­kernd, wird auch sie zur brandgeschwärzten Ruine.

Nicht weniger denn 180 Wohnhäuser mit Scheunen und Ställen, sowie sämtliche öffentliche Gebäude werden den Flammen zum Raube. Tagelang ist über dem Glutmeer der Himmel gerötet und meilenweit verspürt man den Brand­geruch, noch ehe die unglückliche Stadt in Sicht kommt. Ich überlasse es der Phantasie des Lesers, sich das Bild des Jammers und der Zerstörung selbst auszumalen; wer sich schon in Feuersnot befand, wird die Seelenangst der Betroffenen um so verständnisvoller empfinden.

Der Not der Zeit und den Gefahren der Seuche eben entronnen, stehen die Ärmsten händeringend vor den Trümmern ihrer Existenz, keine Nahrung, kein Obdach. Hier der Segen des Feldes durch Hagel zerschlagen und in den Boden gestampft, dort Gut und Habe ein glühender Aschenhaufen. Die meisten retteten nichts als das nackte Leben.

Bei der allgemeinen Panik und dem schnellen Umsichgrei­fen des Feuers darf man es als ein Wunder betrachten, daß nur etwa 30 Personen in den Flammen umkamen. Viele sind Frauen und Mütter, die unter Lebensgefahr noch dem gefräßigen Elemente entreißen wollen, was ihrem Herz nahesteht und bei diesem Liebeswerke auf die gräßlichste Art zugrunde gehen. Sechs Fälle habe ich festzustellen vermocht, wo Mütter bei der Rettung ihrer Kinder ums Leben kamen.

Verweilen wir nun bei den begleitenden Nebenumständen der Katastrophe. Auf dem Rathause rettet man eine eiserne Lade mit mehreren alten Dokumenten, sowie das Regen­tenbuch; in der Oberpfarre werden das 1604 begonnene Kirchenbuch und im Gotteshause ein Teil der heiligen Geräte und einige andere Sachen in Sicherheit gebracht, alles andere aus Buttstädts Vorzeit geht verloren. Wie groß die Kalamität nach dem Brande ist, geht daraus hervor, daß um die Wende des Jahrhunderts, also 16 Jahre später, noch 57 Brandstätten unbebaut liegen.
Man bedenke:
1. abnorme Jahrestemperatur,
2. Mißwuchs,
3. Teuerung,
4. Pestilenz,
5. Hagelschlag und
6. Feuersnot!

Es ist viel auf einmal, was der Himmel über unsere Väter verhängte, und sich hier in der Reihenfolge der Gescheh­nisse zu einem ergreifenden Bildnis aus verklungenen Tagen zusammenfügt. Ein dampfendes Ruinenfeld, ver­kohlte Leichen und mehr als tausend Hilflose, des Obdachs beraubte Menschenkinder, bilden das Schlußtableau dieser betrübenden Zeitepoche. Reminiscere! Alle Leidensgenos­sen, denen in den Unglücksjahren 1683/84 soviel Herbes und Unverschuldetes zu erleben beschieden war, sind längst in den Gefilden der ewigen Heimat. Die schweren Tage sind überwunden und in der Erwägung, daß hienieden keine vollkommene Glückseligkeit zu finden ist, daß ferner die gleichen Ereignisse durch die veränderten Zeitverhält­nisse nicht einen Notstand gleichen Umfangs hervorrufen würden, könnte es müßig erscheinen, sich in diese Bege­benheiten der Vorzeit mit Hingabe zu vertiefen. Aber in ihrem Anspruch auf die gleiche Gotteskindschaft, auf das gleiche Mitleid, das sie auch unserem Mißgeschick nicht vorenthalten würden und als frühere Bewohner derselben trauten Heimat, treten uns die Schwergeprüften doch menschlich nahe.

Es blaut über uns noch dasselbe Himmelszelt, in dessen Luftkreis sich der Flammenschein jenes verheerenden Brandes mit glühender Röte wiederholte, und es ist doch dieselbe Stadt, in der auch unsere Wünsche und Sorgen, in der auch unsere Jahre sich ausleben. Unter diesem Gesichtspunkte habe ich den Buttstädtern dies Geschichts­bild vor Augen geführt und wenn auch nur einer meiner Mitbürger dieser Schilderung mit warmer Empfindung für das Geschick seiner Väter gefolgt ist, so ist der Zweck meiner Zeilen erfüllt!

Nochmals aus Buttstädts Vorzeit
Chronikalische Forschung und Geschichtsschreibung ist nicht jedermanns Sache, ich weiß es; aber für unser Heimatmuseum zu sammeln und zu erhalten, was aus den Tagen der Vorzeit noch vorhanden ist und das Verständnis dafür der Bürgerschaft näherzubringen, das soll und kann jeder, der mit dem Herzen bei der Sache ist.

Daß die Buttstädter Interesse für das Heimatmuseum haben, beweisen die zahlreichen, ans Heimatmuseum abgelieferten Gegenstände. Wie steht es dagegen mit der Ortsgeschichte in Buttstädt? Die meisten unserer Mit­bürger kennen nicht einmal die Wahrzeichen unserer Stadt, oder wissen ihre Bedeutung nicht richtig zu erklären; und doch ist es nicht nur äußerst interessant, nicht nur in hohem Grade lehrreich, sondern auch ein Akt schuldiger Pietät, den Spuren unserer Väter im Dun­kel der Jahrhunderte nachzugehen, in ihrer Welt mit ihnen zu leben und unter ihrem Kreuze zu leiden, sich in ihr Wollen und Können, in ihr Denken und Empfinden mit liebevoller Hingabe zu versenken und ihre Hinterlassen­schaft als ein teures Vermächtnis in Pflege und Obhut zu nehmen.

Haben unsere Voreltern diesen Achtungsbeweis nicht etwa in vollstem Maße verdient? Du sprichst von Deinem Heimatorte als von Deiner Vaterstadt, und sie ist es, die wirklich an Dir Vaterstelle vertritt in Not und Tod, auch wenn Du in der Fremde weilst und niemand von den Deinen mehr vorhanden ist, der Dir hilfreich zur Seite treten kann.

Ja, soweit der Umkreis Deines Heimatortes reicht, sitzest Du in Wahrheit auf dem Erbe Deiner Väter. Denn als Du geboren wurdest, war der Ort mit seiner Umgebung schon da, mit allem, was eine Reihe von Generationen als Zeugen ihres Daseins am Rande des Grabes zurückließen, auch für Dich, der Du ihr Erbautes erhalten hast; ihre Überlie­ferungen an Ehre und Kultur, der Ausfluß ihrer Fürsorge in Haus und Gemeinde für die kommenden Tage und alles, was ihnen selbst zum Leben und Sterben nötig war, es bildet eine Hinterlassenschaft, die in größerem oder gerin­gerem Maße auch Dir zugute kommt.

Auch Deine Stunde wird kommen, auch Du wirst die Summe Deiner Habe, die Früchte Deines Geistes an der Ausgangspforte dieses Lebens zurücklassen, gewiß mit dem berechtigten Wunsche, daß das mühsame Ergebnis Deines irdischen Tagwerkes im brausenden Strome der Zeit nicht untergehe, sondern auch bei den kommenden Geschlechtern die gebührende Anerkennung finden werde.

Von diesen Gedanken geleitet, habe ich mich entschlossen, über die Urgeschichte Buttstädts nochmals Forschungen anzustellen, soweit dies anhand von Beweisstücken mög­lich war.

In einem Artikel: „Buttstädt in grauer Vorzeit bis auf unsere Tage“, habe ich durch Auffindung von Waffen der mittleren Steinzeit dargelegt, daß unsere Gegend bereits 5000 Jahre vor unserer Zeitrechnung mit Menschen besiedelt war.

Durch Auffindung verkieselter Menschenskelette in der Mehnert‘schen Tongrube in den Jahren 1888/89/90 geht die Siedlung von Menschen in unserer Gegend bis in die jüngste Steinzeit zurück.

Professor Dr. Max Verworn in Jena gibt uns in einer wissenschaftlichen Abhandlung hochinteressante Auf­schlüsse über neolithische Gräber und Herdstellen der Mehnert‘schen Tongrube in Buttstädt. (Vergleiche Zeit­schrift für Thür. Geschichte und Alterstumskunde, neue Folge Bd. XI, Seite 527 folg.)

Professor Dr. Verworn bezeichnet Buttstädt „als neolithi­sche Station“, insbesondere durch Auffindung eines für die Wissenschaft interessanten verkieselten Skeletts einer Frau der indogermanischen bzw. arischen Menschenrasse. (Lichtbild des Schädels jener Frau siehe wie oben ange­geben Bd. XI, Tafel IV, 5. 530). Typisch an diesem Schädel sind der große Hinterkopf und die vorstehende Kieferbil­dung der damaligen Menschen der Steinzeit.

Nicht verbürgt ist die Annahme der Chronisten, daß Butt­städt im Jahre 996 vom Markgrafen Eckart von Meißen, der in Jena residierte, „als Stadt“ gegründet worden sei. Ebensowenig ist die Nachricht der Chronisten geschicht­lich nachgewiesen, daß Heinrich IV. in Buttstädt einen Reichstag abgehalten haben soll. Wenn es wahr ist, kann es nur ein kleiner gewesen sein. Auf diesem Reichstag soll Heinrich IV. unter anderen den Bischof von Halberstadt bestätigt, auch mehrere Besitzungen an das Kloster in Pforta abgetreten und dafür auch einige Klostereinkünfte zu „Budstadt“ erhalten haben.

In einer alten Urkunde aus dem 10. Jahrhundert kommt ein Ort „Buotestadt“ vor, und nach einem alten Breviarium des heiligen Lullus aus dem Stifte Hersfeld in Hessen wohnten in „Budestedt“, Suabeshusun (Schwabhausen), Lihichesdorp (Lißdorf), Umisa (unser Emsen) und Ru­dunesdorp (Rudersdorf) Slawen.

Unfern unserer Stadt, gegen Südost, in einer reichbewäs­serten Niederung liegt ein mit Bäumen bestandenes Ried, in alten Urkunden „Tscheplitzweide“ genannt, woraus im Volksmunde „Scheffels Weiden“ geworden ist. Das Wort „Tscheplitz“ ist aber ein Wort slawischen Ursprungs.

Von diesem Platz, nach der Stadt zu, dem Bache entlang und südwärts am Fuße des Stadthügels, haben sich in den dort liegenden Gärten früher überall Spuren von vor langer Zeit bebaut gewesene Hofstätten geringen Umfangs gefunden. Ferner heißen in den Urkunden und auch jetzt noch die diesen Gärten zunächst liegenden Stadtteile „die Ober- und Unterwenden“; das Tor, welches früher aus der inneren Stadt dahin führte und 1827 abge­brochen wurde, hieß das Wendentor. Ein Teil unserer Flur heißt heute noch das „Wendenfeld“. Auch der Name eines anderen Stadtteils, „die Windhöfe“ ‚ ist entstanden aus „windische“ oder „wendische Höfe“, ähnlich wie die Windischengasse in Weimar.

Das alles bestätigt die Richtigkeit der Annahme, daß Buttstädt zuerst aus zwei Teilen bestand, die eigentliche Stadt mit deutscher Bevölkerung und die im Süden bis nach Scheffelsweiden sich erstreckende Vorstadt, der ältere Ort mit wendischer Bevölkerung. Beide Teile bildeten bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts zwei völlig voneinander getrennte Pfarrgemeinden.

In den ersten Jahrhunderten seines Bestehens hatte Butt­städt noch nicht den äußeren Stadtcharakter. Buttstädt war damals eine offene Stadt ohne Befestigungsmauern. Noch im Jahre 1335 wurde es von feindlichen Truppen arg verwüstet, weil es ohne Mauern und in schlechter Verwah­rung war. Eine neue, doch wohl kaum die erste Befesti­gung, erhielt die Stadt im Jahre 1529. In diesem Jahre, sagt das Regentenbuch: „Ist die Stadtmauer am Obertore angefangen zu bauen“. Die ganze Stadt wurde dann mit Toren, Mauern und Türmen umgeben. 1558 heißt es in derselben Schrift, hat man angefangen, das Rastenberger Tor zu bauen. Auch erst um diese Zeit war es, als Buttstädt sein erstes Pflaster sah. Von dem Zustande einer kleinen Stadt noch im 15. Jahrhundert, ohne gepflasterte Straßen, die Düngerhaufen vor den Häusern, nur einzelne Trittsteine gelegt, können wir uns jetzt kaum einen Begriff machen, ebensowenig wie von der Beschaffenheit der Landstraßen. Im Jahre 1573 macht Buttstädt den Anfang mit einem Vorläufer der Chaussee, einen Knüppeldamm. In diesem Jahre, heißt es im Regentenbuch: „Hat man die bösen Wege angefangen zu pflastern und mit umgedrehter Eiche verwahren lassen.“ Im Januar 1574 ist das Pflaster vom Windtore an bis auf den Gottesacker fertig geworden. Im Jahre 1590 wurde das Pflaster vom Brücktore bis an den Kochbom mit geringem Gelde angelegt. Überhaupt nahm Buttstädt im 16. Jahrhundert in bezug auf seine äußere Gestalt einen ganz gewaltigen Aufschwung. Außer der vollständigen Befestigung der Stadt, der Besserung der Wege, der Pflasterung der Straßen, wurden in diesem Jahrhundert das Rathaus, die Kirche, die Schule und die Pfarrei völlig neu gebaut.

Der Bau des Rathauses begann im Jahre 1501. Das Holz bezog man aus der Umgebung und die Steine von Buttel­stedt. Dieser Bau scheint jedoch seinen Zwecken nicht genügt zu haben, denn im Jahre 1563 wurde das Rathaus anders angefangen zu bauen, besonders größere Keller unter demselben angelegt und der südliche Flügel ange­baut. 1565 wurde der Bau vollendet und das Rathaus illuminiert. Der nördliche Flügel (Garküche) wurde 1606 angesetzt. Dieses ganze, große Gebäude ist im großen Brande 1684 vernichtet und das jetzige Rathaus an seiner Stelle errichtet worden. Vom alten Bau ist noch vorhanden in dem Mittelbau das eingemauerte Stadtwappen mit den Namen der Erbauer aus dem Jahre 1501, im südlichen Flügel die Fenstersteine mit den eingehauenen Namen der Erbauer von 1561 und im nördlichen Flügel ein altes Portal und gleichfalls die Inschriften der Namen der Erbauer vom Jahre 1606 und endlich die unter der Erde liegenden Kreuzgewölbe.

Mit der Vergrößerung der Kirche wurde im Jahre 1510 begonnen, und zwar mit der Errichtung des hohen Chores, wozu die Steine ebenfalls aus Buttelstedt geholt wurden. Doch ging die Arbeit, wie es scheint, langsam vonstatten, denn erst 1550 fing man an, das Kirchenschiff zu bauen. Im Jahre 1551 wurde die Kirche eingeweiht. Im Jahre 1583 wurde mit dem Aufbau des Achtecks unseres Kirchturms begonnen. Im Jahre 1584 wurde das Achteck mit der Türmerwohnung vollendet und 1586 der für 22 Gulden vergoldete Knopf, in welchen 160 Kannen Wasser gingen, aufgesetzt. Der Bau kostete 6000 Gulden.

Im Jahre 1632 traf der Blitz den Giebel der Kirche, jedoch ohne zu zünden und 1651, am Allerheiligentage, spaltete der Blitz das Gemäuer des Turmes.

Am 28. September 1632 soll Herzog Bernhard der Große von Weimar mit Kriegsvolk durch Buttstädt gezogen sein und im Preißerschen Hause am Markt übernachtet haben. Am folgenden Tag, am 29. September 1632, ebenso der König Gustav Adolf von Schweden mit einer großen Heeresabteilung. Was unsere Vorfahren im Dreißigjähri­gen Kriege haben leiden müssen, schildert A. Küntzels neue Chronik XXI wie folgt:

Im Jahre 1636 haben die Kriegshaufen des schwedischen Generals Baner, und zwar das Leibregiment zu Roß unter dem Befehl des Leutnants Tobias Duwald von Mittag des 6. November an bis 9. November in Buttstädt gar schrecklich geplündert. Die Stadt mußte 26 große Fässer Bier, 400 Pfund Brot und 2000 Reichstaler aufbringen. Herr Valentin Hofmann und andere, der Stadtvogt Eschenbach, Georg Steinmetz, Ratskollegen, Tobias Stolbern, Gerichtsschöp­pe, und sonst noch 20 Personen, unter ihnen auch der Schulrektor Valentin Hölzlein, sind aufs höchste zersto­chen, zerschlagen und gehauen, jedoch nach göttlicher Fürsorge erhalten worden. Und wiewohl diese Baner‘­schen Scharen unseres Glaubens sein wollten, sind sie doch den ganzen Tag nach dem ersten Einfall, als man zum anderen Male früh in der Kirche Betstunde gehalten, ungestüm in der Kirche eingefallen, haben alle Weibsper­sonen geschändet, was vor der Welt ein ewiges Schandmal bleibt, hinter dem Altar und wo sie dieselben haben hinbringen können, zu ihrer schändlichen Unzucht und ist also aus dem Gotteshaus ein Schandhaus gemacht worden. Was sonsten in den Bürgerhäusem mit dem Weibsvolke für Unzucht getrieben worden ist, ist nicht zu beschreiben. Von der Plünderung durch die Schweden wurden weder Pfarr- noch Schulhäuser verschont. Diakonus Michael Rentsch und den Kantor in der Kaplanei und im Schulhause hat man über die Köpfe verwundet, zerprügelt und ausge­zogen im Beisein und Ansehen der lieben Schuljugend, daß es zum Erbarmen gewesen. Nota: den Herrn Magister Johann Rösern pastorem haben die Weiber mit Kitteln und Schürzen bedeckt, um ihn zu schützen und zu retten.

Viele blühende Orte Deutschlands wurden durch die Schweden zerstört und ihre Einwohner in bestialischer Weise ermordet. Was war aus den Helden Gustav Adolfs, unseren Glaubensbrüdern geworden?

1677 kam der Mönch Berhard Bulzmann als Organist nach Buttstädt. Im Jahre 1697 bekam Buttstädt die Superinten­dentur. Erster Superintendent wurde der Oberpfarrer Jo­hann Anton Mylius. Die schreckliche Feuersbrunst am 18. Juli 1684 legte auch die ganze Kirche in Asche. Nur die Umfassungsmauern des hohen Chores und des Turmes waren stehengeblieben, wenn auch sehr beschädigt.

Durch die unermüdlichen Bemühungen des damaligen Oberpfarrers, späteren Superintendenten Mylius, wurde der Wiederaufbau der Kirche beschleunigt, so daß sie schon am 29. Oktober 1689 eingeweiht werden konnte. Durch seine Fürsprache und allseitige Verwendung wurden die gesamten Kosten des Wiederaufbaus durch freiwillige Gaben gedeckt.

Die Begipsung der Decke und der Wände sowie die Malerei am Kirchhimmel wurde von dem Italiener Franz Dominidus Minnetti aus Florenz ausgeführt, welcher da­mals das sogenannte „blaue Schlößchen“ in Weimar in Arbeit hatte.

Zur hiesigen Pfarrei gehört jetzt noch ein in der Flur Rudersdorf gelegenes Feldgrundstück. Der Besitz dieses Grundstücks soll zur Kursächsischen Zeit aus dem Vermächtnis eines Rudersdorfers stammen, der daran die Bedingung knüpfte, daß in der Buttstädter Kirche jeden Montag vormittags eine Betstunde gehalten werde, damit den hier zu Markte kommenden Rudersdorfein Gelegenheit zum Besuch des Gottesdienstes geboten würde.

Wie aus alten Akten ersichtlich, hat der Vater des vor Jahren verstorbenen Fräulein Rosalie Schwabe (Pfarrer Schwabe, Niederreißen) diese Montagsbetstunde hier noch abgehal­ten, nachdem das Grundstück schon längst nicht mehr auf Kursächsischem Gebiete lag. Warum der Gottesdienst eingestellt wurde, ist mir nicht bekannt, auch weiß ich nicht, ob die Rudersdorfer von dieser Gelegenheit zum Beten fleißig Gebrauch gemacht haben.

Am 17. Juni 1697 wurde Kurfürst Friedrich August von Sachsen, genannt der Starke, zum König von Polen ge­wählt. Er nahm die Wahl an, ging aber zum Katholizismus über.

Die Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, Christine Eberhardine, hat nachweislich unsere Kirche durch ihren Besuch beehrt. Neujahr 1700 nächtigte die Königin (die Gemahlin Augusts des Starken) im hiesigen Geleitshause. Am 1. Juli 1701 kehrt sie wieder, steigt in hiesiger Apotheke ab und wohnt am 2. Juli dem Gottes­dienste bei, nach dessen Beendigung sie unsere Kirche mit einem Geldgeschenk von 24 Talem bedenkt.

Für unser Gotteshaus ist dieser Besuch eine nicht zu unterschätzende Ehrung, denn die Königin war eine über­zeugungstreue Protestantin, die allem Peinigen und Drän­gen, gleich ihrem Gemahl zum katholischen Glauben überzutreten, beharrlichen Widerstand entgegensetzte und darum den Boden Polens, wo man nur eine katholische Herrscherin anerkennen wollte, niemals betreten hat.

Im Jahre 1702 wurde in Buttstädt ein Chorus musicus errichtet, der aus 30 festen Sängern bestand, die einen gemischten Chor bildeten.

Die Hauptaufgabe dieses Chores war die Pflege des Kirch­gesangs. Dieser Chor dürfte als der älteste Gesangverein Buttstädts anzusehen sein. Es ist mir wenigstens nicht gelungen, für Buttstädt in alten Akten oder Urkunden eine ältere Gesangsvereinigung nachzuweisen.

(Quelle: Buttstädt im Wandel der Zeit, Bd. 2, Geiger-Verlag, Horb am Neckar, 1. Aufl.1994, Autor Paul Krämer (1931)